Wichtiger Ausgangspunkt ist zunächst, dass Besteuerungsverfahren einerseits und Steuerstraf- oder Bußgeldverfahren rechtlich nebeneinanderstehen und von unterschiedlichen Behörden geführt werden. Es gelten zudem unterschiedliche Befugnisse, auf welche hier noch eingegangen wird. Diese Doppelgleisigkeit bedeutet, dass es vom Einzelfall abhängt,

  • ob zunächst ein Besteuerungsverfahren und ggf. später ein Steuerstrafverfahren hinzukommt oder umgekehrt
  • und wie sich die beiden Verfahren (unterschiedlich) entwickeln.

Aus Sicht der Betroffenen, also des Unternehmens, der Geschäftsleitung und ggf. betroffener Mitarbeiter, sollte es daher das vorrangige Ziel sein, für beide Verfahren eine Lösung zu finden. Wegen der Einzelheiten hierzu wird auf Punkt 3.2. verwiesen.

1.1 Zuständigkeit der Behörden

Zuständig sind unterschiedliche Behörden:

  • Die Straf- und Bußgeldsachenstelle des Finanzamts (BuStra oder StraBust) oder die Staatsanwaltschaft führen das Straf- oder Bußgeldverfahren. Die Staatsanwaltschaft ist zuständig, wenn es nicht nur um Steuerhinterziehung, sondern z. B. auch um Betrug oder Urkundenfälschung oder um eine größere Dimension geht. Sie ist befugt, ein Steuerstrafverfahren, welches die Straf- und Bußgeldsachenstelle führt, jederzeit an sich zu ziehen (z. B. bei besonders hohen Schadenssummen oder schwierigen Rechtsfragen). Ein Strafverfahren setzt den Anfangsverdacht für eine vorsätzliche Steuerhinterziehung (§ 370 AO) voraus und ein Bußgeldverfahren verlangt den Anfangsverdacht für eine leichtfertige Steuerverkürzung (§ 378 ff. AO).
  • Hingegen bleibt das Betriebsstätten-Finanzamt bzw. das Wohnsitzfinanzamt für die Besteuerung zuständig.

1.2 Getrennte Verfahren

Aus vorgenannter Doppelgleisigkeit der Verfahren folgt, dass beide Behörden rechtlich unabhängig voneinander Entscheidungen treffen und Ermittlungen führen. Spiegelbildlich ergeben sich aber auch unterschiedliche Rechte der Betroffenen. Die Rechte und Pflichten der Steuerpflichtigen und der Finanzbehörde im Besteuerungsverfahren und im Strafverfahren richten sich nach den für das jeweilige Verfahren geltenden Vorschriften (§ 393 Abs. 1 Satz 1 AO). Dies bedeutet:

  • Im Besteuerungsverfahren muss das Unternehmen weiterhin seine steuerliche Mitwirkungspflicht erfüllen. Eine Besonderheit besteht jedoch nach Einleitung eines Steuerstraf- oder Bußgeldverfahrens: Diese steuerlichen Mitwirkungspflichten dürfen dann nicht mehr zwangsweise gegen Beschuldigte durchgesetzt werden (§ 393 AO).
  • Hingegen besteht im Steuerstraf- oder Bußgeldverfahren ein Schweigerecht für die Beschuldigten. Diese müssen sich aufgrund des sog. nemo tenetur-Grundsatzes nicht selbst belasten. Beschuldigte sind nur natürliche Personen und von dem Unternehmen, wenn es z. B. eine juristische Person (GmbH, AG) oder eine Personengesellschaft ist, zu trennen. Allerdings haben Beschuldigte, wenn sie gesetzliche Vertreter des Unternehmens sind, dessen steuerliche Pflichten im Besteuerungsverfahren zu erfüllen. Eine zwangsweise Durchsetzung dieser Mitwirkungspflicht ist entsprechend vorherigen Ausführungen allerdings ausgeschlossen.
  • Es besehen auf der steuerlichen und straf- bzw. bußgeldrechtlichen Ebene unterschiedliche Rechtsbehelfe wie z. B. Einsprüche und Anträge auf gerichtliche Prüfung.

1.3 Unterschiede von Besteuerungs- und Strafverfahren

Während das Besteuerungsverfahren durch die Finanzbehörde erfolgt, wird das Ermittlungsverfahren durch die Straf- und Bußgeldsachenstelle geführt (§ 386 AO). In den Bundesländern bestehen unterschiedliche Organisationsformen, so dass die Straf- und Bußgeldsachenstellen teilweise eine Abteilung des jeweiligen Finanzamts oder eigenständige Behörden sind. Hierdurch ergeben sich jedoch keine Unterschiede in den Befugnissen der Behörden:

  • Das Finanzamt als steuerliche Behörde hat allein die Befugnisse gemäß der Abgabenordnung. Allerdings sollte nicht verkannt werden, dass insbesondere die Befugnis zur Schätzung gem. § 162 AO erhebliche Bedeutung haben kann. Schätzungen sind auch während laufender Steuerstrafverfahren zulässig, solange es sich um keine Strafschätzungen handelt.[1]
  • Hingegen kann die Straf- und Bußgeldsachenstelle im Steuerstrafverfahren auf die mächtigeren Befugnisse gemäß der Strafprozessordnung zurückgreifen. Hierzu zählen z. B. Durchsuchungen und Beschlagnahmen, welche aufgrund des grundgesetzlichen Richtervorbehalts von der Straf- und Bußgeldsachenstelle nur beantragt, aber nur durch einen Richter angeordnet werden dürfen (Ausnahme: Gefahr im Verzug). In der Praxis folgen die Richter allerdings oft entsprechenden Anträgen. Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass die Straf- und Bußgeldsachenstelle in den Fällen des § 208 AO (z. B. sog. Steueraufsicht) auch auf die Befugnisse der Abgabenordnung zurückgreifen kann. Allerdings ist während eines Steuerstrafverfahrens die Anwendung von Zwangsgeld gem. § 329 AO zur Durchsetzung steuerlicher Mitwirkungspflichten ausgeschlossen.[2] Hingegen ist dieser Ausschluss für das Verzögerungsgeld gem. § 146 Abs. 2b AO gesetzlich nicht geregelt, so dass die Ansichten hierzu umstritten sind. Nach hier vertretener An...

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