Eine Steuerumgehung oder das Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs bedeuten nicht, dass auch der Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt wäre. Steuerhinterziehung setzt vielmehr voraus, dass dem Finanzamt gegenüber vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht wurden oder dass das Finanzamt pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen wurde. Es muss also von den Ermittlungsbehörden exakt herausgearbeitet werden, in welcher Weise gegenüber den Finanzbehörden unrichtige Angaben gemacht wurden (inwiefern Steuererklärungen/Gewinn- und Verlustrechnungen/Bilanzen unrichtig waren oder sonst gegenüber dem Finanzamt falsche Angaben gemacht wurden).[1]

 
Hinweis

Steuerumgehung ist nicht gleich Steuerhinterziehung

Auf der Grundlage der oben zitierten BGH-Rechtsprechung kann es einen Steuerpflichtigen nicht entlasten, wenn die Unvollständigkeit der Steuererklärung darauf beruht, dass er einer "vertretbaren" Rechtsansicht folgte.

Denkt man diese Rechtsprechung konsequent zu Ende, muss im Grunde schon bei der Abgabe der Steuererklärung eine Betriebsprüfung gedanklich vorweggenommen werden; die Punkte, auf die der Prüfer später stößt, hätten unter Umständen dem Finanzamt bereits bei der Erklärungsabgabe offenbart werden müssen. Problematisch wird es für den Steuerpflichtigen, wenn sicher ist, dass das Finanzamt bei vollständiger Sachverhaltskenntnis eine andere Würdigung der Sach- und Rechtslage vorgenommen hätte.

Die Rechtsprechung zur weitgehenden Offenbarungspflicht mag zwar zu kritisieren sein, sie ist aber von den Steuerpflichtigen und ihren steuerlichen Beratern zu beachten. Der Umstand, dass sich der Umfang der Mitwirkungspflicht gem. § 90 Abs. 1 Satz 3 AO "nach den Umständen des Einzelfalls" richtet, dürfte in Verbindung mit der zitierten Rechtsprechung häufig Verunsicherung auslösen. Folge dieser Verunsicherung wird vor dem Hintergrund der strafrechtlichen Konsequenzen nicht selten die Empfehlung sein, dem Finanzamt im Zweifel eher zu viel als zu wenig mitzuteilen.

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