Leitsatz

Die Finanzbehörden sind berechtigt, die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, wenn sich diese nicht ermitteln oder berechnen lassen. Dabei kann eine teilweise oder auch eine vollumfängliche Schätzung erforderlich sein. Der häufigste Praxisfall einer Vollschätzung ist, dass durch den Steuerzahler keine Steuererklärung eingereicht wird. Doch auch wenn keine Unterlagen zum Nachweis von Betriebseinnahmen oder -ausgaben vorhanden sind, kann nach Auffassung des BFH eine Vollschätzung zulässig sein. Im Urteilsfall ermittelte ein Landwirt sein Betriebsergebnis zulässig durch Einnahme-Überschussrechnung, wobei sich ein Verlust ergeben hatte. Allerdings konnte er seine Betriebseinnahmen bzw. -ausgaben nicht nachweisen . Deshalb hatte das Finanzamt abweichend von der Erklärung einen Gewinn anhand Richtsätzen geschätzt ( → Schätzung ).

Dass dies zutreffend war, wurde nun vom BFH bestätigt. Zwar ergibt sich für einen Landwirt bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG weder aus dem Einkommensteuerrecht noch aus dem Umsatzsteuerrecht eine Verpflichtung, seine Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben aufzuzeichnen. Doch bedeutet das nicht, dass erklärte Gewinne oder Verluste ohne weitere Nachprüfung vom Finanzamt zu akzeptieren sind. Ist ein Steuerzahler nicht in der Lage, über die erklärten Daten ausreichende Aufklärung durch geeignete Unterlagen zu erbringen, sind die Voraussetzungen für eine Schätzung erfüllt. Dies gilt selbst, wenn keine besondere gesetzliche Aufzeichnungspflicht gegeben sein sollte. Der BFH konnte sich damit der vom FG gewonnenen Erkenntnis anschließen, wonach angesichts der fehlenden Aufzeichnungen der Einnahmen und Ausgaben eine Ermittlung und Prüfung der erklärten Verluste unmöglich war. Zwar resultieren die vom Finanzamt der Schätzung zugrunde gelegten Richtwerte (Hektarsätze) aus den Ergebnissen buchführender Betriebe, doch weicht der daraus ermittelte Gewinn nicht von einem Gewinn einer Vollschätzung nach den Grundsätzen einer Einnahme-Überschussrechnung ab und konnte damit vom Finanzamt zur Besteuerung herangezogen werden ( → Aufzeichnungs- und Buchführungspflichten ).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 15.04.1999, IV R 68/98

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