Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeld für vom Studium beurlaubtes Mitglied des StudentInnenRates einer sächsischen Universität. Kompetenz des FG zur Entscheidung über den Kindergeldanspruch vom Zeitraum des Ergehens der Einspruchsentscheidung bis zur mündlichen Verhandlung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Student befindete sich weiter in Berufsausbildung i.S. v. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG, wenn er sich in einer Wahlfunktion an einer demokratisch verfassten Hochschule vorübergehend um organisatorische und inhaltliche Belange der Ausbildung kümmert, auch wenn während dessen der Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen für den angetretenen Beruf entsprechend der von einer fachlich autorisierten Stelle vorgegebenen Ausbildungsinhalte und -ziele nicht mehr oder nur noch sehr eingeschränkt erfolgt. Daher befindet sich ein als Sprecherin gewähltes, während der Amtszeit vom Studium beurlaubtes Mitglied des StudentInnenRates einer sächsischen Universität unabhängig davon weiter in Berufsausbildung, in welchem Umfang das Mitglied während seiner Beurlaubung aufgrund seiner hervorgehobener Tätigkeit für den StudentInnenRat von der Möglichkeit des § 20 Abs. 3 SächsHSG Gebraucht gemacht und Studien- und Prüfungsleistungen erbracht hat.

2. Wird die Bewilligung von Kindergeld fortlaufend begehrt, muss darüber vom FG grundsätzlich gemäß der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung entschieden werden. Ist die Sache hinsichtlich bestimmter Bewilligungsmonate oder bestimmter Bewilligungsvoraussetzungen nicht spruchreif i. S. d. § 101 Satz 1 FGO, da die Familienkasse insoweit noch keine Entscheidung getroffen hat und das Gericht aus Gewaltenteilungsgesichtspunkten keine Erstentscheidung treffen darf, ergeht nach § 101 S. 2 FGO insoweit ein Bescheidungsurteil. Soweit einzelne Finanzgerichte hinsichtlich des Ende des klagegegenständlichen Zeitraums bei einer Verpflichtungsklage vom Ende der Regelungswirkung des Ablehnungsbescheides ausgehen, kann dem nicht gefolgt werden (gegen Niedersächsisches FG v. 23.1.2006, 16 K 12/04; gegen FG Düsseldorfl v. 23.1.2007, 10 K 5107/05 (Kg); gegen Niedersächsisches FG v. 11.9. 2009, 9 K 259/06; gegen FG Münster v. 14.12.2010, 1 K 4131/07 (Kg); Anschluss an Sächsisches FG v. 26.9.2010, 8 K 1688/05 (Kg); FG Köln v. 10.5.2007 – 10 K 2341/01).

 

Normenkette

EstG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a; SächsHSG § 20 Abs. 2 S. 1, Abs. 3-4; FGO § 44 Abs. 1, § 101 Sätze 1-2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 24.07.2013; Aktenzeichen XI R 24/12)

BFH (Urteil vom 24.07.2013; Aktenzeichen XI R 24/12)

 

Tenor

Der Beklagte wird unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 25.05.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21.06.2011 verpflichtet, der Klägerin Kindergeld für die Tochter J. für Dezember 2010 bis Juni 2011 zu bewilligen sowie die Klägerin wegen des Kindergeldes für J. ab Juli 2011 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Tochter der Klägerin, die als Sprecherin des StudentInnenRates von ihrem Studium beurlaubt ist, für einen Beruf ausgebildet wird.

Die am 28.06.1990 geborene Tochter der Klägerin studiert Geographie an der Universität L.. Am 08.06.2010 wurde sie als gewähltes Mitglied des StudentInnenRates gemäß § 12 der Satzung der StudentInnenschaft ab dem zum 01.10.2010 beginnenden Wintersemester bis zum Ende des Sommersemesters am 30.09.2011 als Sprecherin gewählt. Gemäß § 3 der Wahlamtsvereinbarung zwischen der Tochter der Klägerin und dem StudentInnenRat der Universität L. vom 27.09.2010 sind die SprecherInnen des StudentInnenRates der Universität L. während ihrer Amtszeit vom Studium üblicherweise beurlaubt. Demgemäß wurde die Tochter der Klägerin für das Wintersemesters 2010/2011 und das Sommersemester 2011 von der Hochschule gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Sächsisches Hochschulgesetz – SächsHSG – vom Studium beurlaubt. Gemäß § 4 i.V.m. der Anlage 1 der Wahlamtsvereinbarung erhält die Tochter der Klägerin eine monatliche Vergütung von 400 EUR. Seit dem 01.10.2011 fungiert die Tochter der Klägerin als (kommissarische) Geschäftsführerin des StudentInnenRates i.S.v. § 11 der zum 01.10.2011 in Kraft getretenen Satzung der StudentInnenschaft der Universität L..

Mit bestandskräftigem Bescheid vom 16.09.2010 in Gestalt Einspruchsentscheidung vom 22.11.2010 hob die Beklagte das Kindergeld für J. ab Oktober 2010 auf. Am 04.04.2011 beantragte die Klägerin erneut Kindergeld für J..

Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26.05.2011 ab, weil J. vom Studium beurlaubt sei. Dagegen legte die Klägerin am 10.06.2011 Einspruch ein, den die Beklagte mit Einspruchsentscheidung...

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