Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Kindergeldanspruch vor Erteilung einer Genehmigung zur Aufnahme einer Beschäftigung trotz befristeter Aufenthaltserlaubnis nach § 34 Abs. 3 AufenthG. Verfassungsmäßigkeit von § 62 Abs. 2 EStG in der ab 2006 anzuwendenden Fassung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach der BFH-Rechtsprechung „besitzt” ein Ausländer erst dann eine Aufenthaltserlaubnis i. S. v. § 62 Abs. 2 Nr. 2 EStG in der ab 1.1.2006 anzuwendenden Fassung, wenn er eine Aufenthaltsgenehmigung der gesetzlich vorgeschriebenen Art tatsächlich in Händen hält, ihm also das Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik durch entsprechenden Verwaltungsakt mit Wirkung für die Bezugszeit des Kindergeldes zugebilligt worden ist.

2. Das ist nicht der Fall, wenn eine Ausländerin zwar im Besitz einer befristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 34 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) und danach grundsätzlich mit Erlaubnis der Ausländerbehörde zur Aufnahme einer Beschäftigung berechtigt ist, die Erlaubnis zur Beschäftigungsaufnahme bislang aber weder beantragt noch erteilt worden ist.

2. Da der Gesetzgeber nach der Dauer des Aufenthalts und der Integration in den Arbeitsmarkt differenziert hat und im Übrigen davon ausgehen durfte, dass das Existenzminimum des Kindes eines nicht kindergeldberechtigten Ausländers durch Sozialhilfe oder Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in ausreichendem Maße gewährleistet ist, bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Neufassung des § 62 Abs. 2 EStG.

 

Normenkette

EStG 2006 § 62 Abs. 2 Nr. 2; AufenthG § 34 Abs. 3; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 26.08.2010; Aktenzeichen III R 47/09)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin im Zeitraum Oktober 2006 bis März 2007 zum Bezug von Kindergeld berechtigt ist.

Die Klägerin stammt aus der Ukraine. Sie ist im Jahr 2004 im Wege des Kindernachzugs nach Deutschland eingereist und vor der Geburt ihres eigenen Kindes volljährig geworden (Aufenthaltstitel Blatt 5 der Kindergeldakte). Seit dem 08. September 2006 ist sie im Besitz einer befristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 34 Abs. 3 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Eine selbständige Erwerbstätigkeit ist ihr nicht gestattet; eine Beschäftigung nur mit Erlaubnis der Ausländerbehörde (Blatt 26 der Kindergeldakte). Im November 2006 beantragte die Klägerin für ihren am 10. Oktober 2006 geborenen Sohn A. Kindergeld. Die Beklagte hat mit Verwaltungsakt vom 02. März 2007 und der Einspruchsentscheidung vom 09. Juli 2007 die Gewährung von Kindergeld mit der Begründung abgelehnt, der Aufenthaltstitel des Klägers rechtfertige keine Berücksichtigung bei der Kindergeldfestsetzung (Blatt 22 und 31 der Kindergeldakte).

Die Klägerin macht geltend, nach § 62 Abs. 2 EStG habe ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer Anspruch auf Kindergeld, wenn er eine Aufenthaltserlaubnis besitze, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtige. Sie sei im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis gemäß … § 34 Abs. 3 AufenthG. Streitig sei, ob dieser Aufenthaltstitel zur Erwerbstätigkeit berechtige. Unter Verweis auf eine Bundestagsdrucksache (16/1368 S. 14) vertritt die Klägerin die Auffassung, der Gesetzgeber meine, daß einer Berechtigung zur Erwerbstätigkeit eine Zustimmung zur Ausübung zur Ausübung einer Beschäftigung gleichgestellt sei. Demgemäß berechtige sie ihr Aufenthaltstitel zur Erwerbstätigkeit, so daß eine Anspruch auf Kindergeld bestehe.

Die Klägerin verweist ferner darauf, daß sie die Tochter einer ausländischen Staatsangehörigen sei, die mit einem Deutschen verheiratet sei und eine Niederlassungserlaubnis besitze. Nach der Kommentierung von Weber-Grellet in Schmidt, EStG 26. Auflage 2007 zu § 62 Rn. 8 seien uneingeschränkt erwerbstätig diejenigen, die einen Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis hätten, insbesondere Familienangehörige von ausländischen Staatsangehörige mit Niederlassungserlaubnis.

Die Klägerin reichte eine geänderte Aufenthaltserlaubnis vom 07. August 2007 nach, wonach ihr die Beschäftigung eingeschränkt gestattet wurde (Blatt 14 der Gerichtsakte).

Der Kindergeldanspruch der Klägerin richte sich nach § 62 Abs. 2 EStG. Dort werde anders als bei § 62 Abs. 2 Nr. 3b EStG, wo an die tatsächlich Erwerbstätigkeit angeknüpft werde, lediglich verlangt, daß die Aufenthaltserlaubnis zur Erwerbstätigkeit berechtige. Die Klägerin habe eine Aufenthaltserlaubnis gehabt, die mit Zustimmung der Ausländerbehörde zur Erwerbstätigkeit berechtige. Daß dies ausreiche ergebe sich aus den Motiven des Gesetzgebers, welche in der Klageschrift ausführlich zitiert worden seien.

Zum weiteren Vorbringen der Klägerin wird auf die Schriftsätze vom 03. August 2007, 07. Januar 2008, 15. Mai 2008, 28. April 2009 und 30. Mai 2009 verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

  1. unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 02. März 2007 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 09. ...

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