rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeld wegen Arbeitslosigkeit. 1 Euro-Job oder 15-Wochenstunden-Job des arbeitslosen Kindes kein der Kindergeldberechtigung entgegenstehendes Beschäftigungsverhältnis, kein Anspruch auf Kindergeld nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG bei einem 30-Wochenstunden umfassenden sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis nach § 16e SGB II. Rückforderung von abgezweigten Kindergeld gegenüber Abzweigungsempfänger

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die im Rahmen einer „Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung” bzw. eines „1 Euro-Jobs” verrichteten Arbeiten begründen gem. § 16d Abs. 7 S. 2 SGB II kein Arbeitsverhältnis i. S. d. Arbeitsrechts und kein Beschäftigungsverhältnis i. S. d. SGB IV. Damit steht der 1 Euro-Job eines arbeitslosen Kindes dem Kindergeldanspruch nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG nicht entgegen.

2. Die Ausübung einer Erwerbstätigkeit von weniger als 15 Stunden wöchentlich schließt die Beschäftigungslosigkeit gem. § 138 Abs. 3 SGB III nicht aus und erhält den Kindergeldanspruch nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG (vgl. Sächsisches FG v. 31.7.2013, 8 K 930/08).

3. Die 30 Wochenstunden umfassende, – mit Ausnahme der Arbeitslosenversicherung – sozialversicherungspflichtige Beschäftigung im Rahmen des § 16e SGB II ist hingegen als den Kindergeldanspruch nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG ausschließende Beschäftigung zu beurteilen.

4. Auch wenn das 30 Wochenstunden beinhaltende Beschäftigungsverhältnis nach § 16e SGB II darauf angelegt ist, dass das Kind allgemeine handwerkliche Erfahrungen sammelt, die soziale Kompetenz des Kindes und sein Verantwortungsbewusstsein für sich selbst zu stärken, liegt in Ermangelung der erforderlichen Berufszielorientierung keine Berufsausbildung i. S. d. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EStG vor.

5. Die Rückforderung gem. § 74 Abs. 1 EStG abgezweigten Kindergelds erfolgt beim als Leistungsempfänger anzusehenden Abzweigungsempfänger.

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 1; EstG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a; EStG § 70 Abs. 2, § 74 Abs. 1; SGB III § 138 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3, § 27 Abs. 3 Nr. 5; SGB II § 16d Abs. 7 S. 2, § 16e Abs. 1; SGB IV § 7 Abs. 1 S. 1, § 2 Abs. 2 Nr. 1; AO § 37 Abs. 2

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Dem Kläger werden die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen auferlegt.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob eine sog. Arbeitsgelegenheit – Entgeltvariante mit einer Wochenarbeitszeit von 30 Stunden ein Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) darstellt.

Auf Antrag des im Februar 1991 geborenen Klägers hatte die Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden: die Beklagte) mit Bescheiden vom 14.8.2009 Kindergeld der A. S. für den Kläger festgesetzt und dem Abzweigungsantrag des Klägers entsprochen. In der Folge zahlte die Beklagte, u.a. auch im Streitzeitraum Dezember 2009 bis April 2010, Kindergeld an den Kläger. Die Zahlungen erfolgten in Höhe von 170 EUR für Dezember 2009 und in Höhe von 184 EUR monatlich für Januar bis April 2010.

Der Kläger stand im Streitzeitraum im laufenden Bezug von Arbeitslosengeld II. In der Berufsberatung der zuständigen Agentur für Arbeit war der Kläger im Streitzeitraum nicht gemeldet. Unter dem 30.11.2009 schloss der Kläger mit der ARGE S. eine Eingliederungsvereinbarung, nach der er „eine Arbeitsgelegenheit mit Entgeltvariante gemäß § 16d Satz 1 SGB II” beim W.-Firma mit 30 Wochenstunden vom 1.12.2009 bis 31.8.2010 zu absolvieren hatte. Tatsächlich nahm der Kläger zum 1.12.2009 die Tätigkeit als befristete sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit einem Beschäftigungsumfang von 30 Wochenstunden auf. Der Kläger erhielt ausweislich der zur Kindergeldakte gereichten Gehaltsabrechnungen ein Entgelt von 652,50 EUR (brutto) für Dezember 2009 und 2.092,50 EUR (brutto) für Januar bis April 2010. Er war u.a. zum Bau von Vogelhäusern eingesetzt worden. Im Rahmen der Maßnahme sollten dem Kläger leichte handwerkliche Kenntnisse vermittelt werden, es sollten Bewerbungsunterlagen erstellt und ein strukturierter Tagesablauf erlernt werden. Die Beschäftigung endete vorzeitig mit Ablauf des 30.4.2010 durch Auflösungsvertrag.

In der Kindergeldakte der Beklagten (Bl. 633) findet sich ein am 9.7.2008 erstellter Vermerk eines nicht der Familienkasse zugehörigen Mitarbeiters der Bundesagentur für Arbeit vom 9.7.2008 u.a. folgenden Inhalts:

„In der Summe aller Beeinträchtigungen ist Herr S. nicht nur vorübergehend wegen Art und Schwere dieser Beeinträchtigungen in der teilhabe am Arbeitsleben wesentlich gemindert. Eine Behinderung im Sinne des § 2(1) SGB IX liegt vor, ergehört zum Personenkreis nach § 19 SGB III. Hilfen nach § 33 SGB IX sind erforderlich. Antrag wurde heute ausgehändigt”

Die Beigeladene reichte das bezeichnete Antragsformular am 10.7.2010 ausgefüllt bei der Agentur für Arbeit S. ein (Akte Rehabilitation). Dort wurde ein ärztliches Gutachten vom 3.4.2008 beigefügt, welches eine angeborene verminderte Belastba...

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