Leitsatz

Der Gewinn aus der Veräußerung einbringungsgeborener Anteile wird steuerlich rückwirkend geändert, wenn die Vertragsparteien wegen Streitigkeiten über Wirksamkeit oder Inhalt des Vertrags einen Vergleich schließen und den Veräußerungspreis rückwirkend mindern.

 

Normenkette

§ 21 Abs. 1 UmwStG 1995, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO

 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine Stadt, war alleinige Anteilseignerin einer GmbH. Die GmbH war aus einer Umwandlung des ehemaligen Eigenbetriebs zum Buchwert hervorgegangen, sodass sog. einbringungsgeborene Anteile entstanden waren.

Unternehmensgegenstand der GmbH war die Strom-, Gas- und Wasserversorgung sowie die Wasserentsorgung. Sie hielt zwei Beteiligungen in der Rechtsform der GmbH (Bäder und öffentlicher Nahverkehr), die dauerdefizitär waren. Die Tochtergesellschaften waren über Ergebnisabführungsverträge mit der GmbH verbunden.

Anfang 2002 veräußerte die Klägerin 49 % der Geschäftsanteile der GmbH an eine GmbH & Co. KG zum Kaufpreis von rd. 125 Mio. DM, der auch entrichtet wurde. Zugleich trafen die Parteien eine abweichende Gewinnverteilungsabrede, wonach die KG grundsätzlich nicht an den Verlusten der beiden Tochtergesellschaften der GmbH partizipierte. Allerdings galt dies nicht, soweit die Verluste die Durchschnittsverluste der letzten drei Jahre vor der Veräußerung überstiegen. Insoweit sollte der Verlust auch von der KG in entsprechender Höhe der Beteiligung getragen werden.

Da die Veräußerung eine KapESt-Pflicht auslöste, meldete die Klägerin eine KapESt i.H.v. rd. 4,5 Mio. EUR an. Dem lag ein Gewinn aus der Veräußerung des Anteils an der GmbH i.H.v. rd. 45 Mio. EUR zugrunde.

In der Folgezeit kam es zwischen den Parteien zu Meinungsverschiedenheiten über die Gewinnverteilung in Bezug auf die beiden Tochtergesellschaften der GmbH. Die KG vertrat die Auffassung, dass ihr die steuerlichen Verluste der Tochtergesellschaften in Höhe ihrer Beteiligung zustünden. Die Klägerin beanspruchte die Möglichkeit des Verlustabzugs dagegen in dem Umfang für sich, in dem sie die Verluste selbst tragen musste. Dieser Streit führte dazu, dass die Gewinne der GmbH für die Jahre 2002 bis 2004 zwar festgestellt, jedoch nicht an die Gesellschafter verteilt werden konnten.

Zur Streitbeilegung fanden anschließend diverse Gespräche zwischen den Beteiligten statt. 2005 wurde ein Vertrag geschlossen, der mit "Änderung des Anteilskauf- und Abtretungsvertrags" überschrieben war. Man einigte sich darauf, dass die KG die wirtschaftliche Verantwortung für die Tochtergesellschaften quotal unbeschränkt übernehmen sollte. Diese Vereinbarung sollte mit Wirkung ab dem 01.01.2002 gelten, d.h. die uneingeschränkte Verlustübernahmeverpflichtung bestand bereits ab dem Zeitpunkt des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums auf den Erwerber.

Dementsprechend sollte der seinerzeit vereinbarte Kaufpreis angepasst werden. Der geänderte Vertrag sah eine Minderung des Kaufpreises um 13,8 Mio. EUR vor. Die Gewinne der GmbH wurden daraufhin im Verhältnis der Beteiligungen auf die Klägerin und der KG verteilt.

Im Anschluss an diese Verständigung reichte die Klägerin eine entsprechend geänderte KapESt-Anmeldung ein. Das FA lehnte es ab, dem gem. § 168 AO zuzustimmen. Das FG war der Auffassung, nicht sämtliche mit Vertrag vom Januar 2002 veräußerten Anteile seien einbringungsgeboren, und gab insoweit der Klage statt. Einen darüber hinausgehenden Anspruch auf Änderung der KapESt-Festsetzung hielt es jedoch nicht für gegeben. Die nachträgliche Herabsetzung des Kaufpreises sei kein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO (FG Düsseldorf, Urteil vom 18.09.2008, 16 K 2635/07 KE, Haufe-Index 2153871, EFG 2009, 723).

 

Entscheidung

Der BFH maß dem Vergleich hingegen steuerliche Rückwirkung bei: Ausreichend für die Annahme eines Ereignisses mit steuerlicher Rückwirkung sei, dass die Klägerin und die KG sich über die Auslegung des ursprünglichen Vertrags gestritten und zur Beilegung dieses Streits einen außergerichtlichen Vergleich geschlossen hätten, in dem sie den ursprünglichen Vertrag dergestalt änderten, dass sich die KG verpflichtet habe, die Verluste der beiden Tochtergesellschaften entsprechend ihrer Beteiligung zu tragen und im Gegenzug der Kaufpreis um 13,8 Mio. EUR ermäßigt worden sei. Folglich müsse das FA der beantragten Änderung der KapESt-Anmeldung zustimmen.

 

Hinweis

1. Es ging im Urteilsfall "formal" um die nachträgliche Änderung einer KapESt-Anmeldung. Eine solche kann gem. § 168 AO nur mit Zustimmung des FA erfolgen. Die Zustimmung ist mit Verpflichtungsklage einzufordern.

2. In der Sache ging es darum, wann und unter welchen Umständen eine spätere Kaufpreisänderung steuerlich (ausnahmsweise) "rückwirkt".

Wann ein Sachverhalt steuerlich zurückwirkt, wird im Gesetz nicht näher bestimmt. Es genügt aber nicht, dass das spätere Ereignis den für die Besteuerung maßgeblichen Sachverhalt anders gestaltet. Die Änderung muss sich auch steuerrechtlich in der Weise auswirken, dass nunmehr der geänderte anstelle des zuvor v...

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