Kommentar

Im Streitfall hatte eine zur Testamentsvollstreckerin ernannte Rechtsanwältin für den Alleinerben die Erbschaftsteuererklärung abgegeben. Da der Erbe die Erbschaftsteuer nicht zahlte und auch Vollstreckungsversuche gegen ihn erfolglos geblieben waren, nahm das Finanzamt die Anwältin als Haftungsschuldnerin in Anspruch ( § 34 Abs. 3 AO , § 35 AO i. V. m. § 69 AO , § 32 Abs. 1 Satz 2 ErbStG , § 191 Abs. 2 AO . Entgegen § 191 Abs. 2 AO hatte das Finanzamt der zuständigen Berufskammer vor Erlaß des Haftungsbescheides nicht Gelegenheit gegeben, die Gesichtspunkte vorzubringen, die von ihrem Standpunkt aus für die Entscheidung von Bedeutung sind ( Erbschaftssteuer ; Haftung ).

Der BFH hielt dies für rechtswidrig, weil die Anwältin auch als Testamentsvollstreckerin in Ausübung ihres Berufs als Rechtsanwältin gehandelt habe und deshalb gem. § 191 Abs. 2 AO der zuständigen Berufskammer vor Erlaß des Haftungsbescheids Gelegenheit zur Stellungnahme hätte gegeben werden müssen. Der BFH vertrat die Auffassung, ein Rechtsanwalt, der als Testamentsvollstrecker tätig wird, handle regelmäßig in Ausübung seines Berufes i. S. des § 191 Abs. 2 AO 1977 (für Rechtsanwälte als Konkursverwalter vgl. BFH, Urteil v. 17. 10. 1957, V 167/55 U, BStBl 1957 III S. 453; offengelassen von BFH, Urteil v. 26. 11. 1985, VII R 148/81, BFH/NV 1986 S. 134).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 13.05.1998, II R 4/96

Anmerkung

Bevor gegen einen Rechtsanwalt , Patentanwalt, Notar, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfer oder Vereidigten Buchprüfer wegen einer Pflichtverletzung i. S. von § 69 AO , die ihm in Ausübung seines Berufs unterlaufen ist, ein Haftungsbescheid erlassen wird, hat die Finanzbehörde der zuständigen Berufskammer Gelegenheit zu geben, die Gesichtspunkte vorzubringen, die von ihrem Standpunkt für die Entscheidung von Bedeutung sind ( § 191 Abs. 2 AO ).

Streitig war bei dem nunmehr vom BFH entschiedenen Sachverhalt, ob die Rechtsanwältin nur in ihrer Eigenschaft als Testamentsvollstreckerin oder aber auch als Rechtsanwältin tätig geworden war. Der BFH bejahte diese Frage aus der Erwägung, daß das Amt eines Testamentsvollstreckers , der gem. § 2203 BGB die letztwilligen Verfügungen des Erblassers zur Ausführung zu bringen, den Nachlaß zu verwalten ( § 2205 BGB ) und – bei mehreren Erben – die Erbauseinandersetzung zu bewirken habe ( § 2204 BGB ), häufig qualifizierte Rechtskenntnisse erfordere. Werde ein Rechtsanwalt als Testamentsvollstrecker ernannt, sei deshalb im Zweifel davon auszugehen, daß dies wegen seiner beruflichen Stellung und seiner Rechtskenntnisse erfolgt.

Hinzuweisen ist darauf, daß nach Auffassung des BFH Steuerbevollmächtigte , die als Liquidatoren tätig werden, nicht in Ausübung ihres Berufes handeln ( BFH, Urteil v. 27. 6. 1973, I R 172/71, BStBl 1973 II S. 832 ). Der BFH meint, die vorstehend mitgeteilte Entscheidung widerspreche nicht dem Urteil zum Steuerbevollmächtigten, weil der Beruf des Rechtsanwalts – weitergehend als der Beruf des Steuerbevollmächtigten und Steuerberaters (vgl. auch § 32 Abs. 1 StBerG ) durch ein Tätigwerden in allen Rechtsangelegenheiten gekennzeichnet ist (§ 3 BRAO). Abgesehen davon sei die Tätigkeit des Testamentsvollstreckers – ebenso wie des Konkursverwalters – mit der des Liquidators nicht vergleichbar .

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