Leitsatz

Land- und forstwirtschaftlich bewirtschafteter Grund und Boden stellt eine Betriebsstätte i.S.d. § 12 AO dar. Werden daher land- und forstwirtschaftliche Einkünfte durch die Bewirtschaftung von im EU/EWR-Ausland belegenem Grund und Boden erzielt, wirken sich die Einkünfte weder im Rahmen des positiven noch des negativen Progressionsvorbehaltes auf den inländischen Steuersatz aus.

 

Sachverhalt

Der Kläger erzielt Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft. Er betreibt einen grenzüberschreitenden Betrieb mit Hofstelle in Deutschland. Der Großteil der bewirtschafteten Flächen ist in Deutschland belegen, ein Teil liegt in den Niederlanden. Die im Ausland bewirtschafteten Flächen stehen im Eigentum Dritter. Der Kläger deklarierte in seiner Steuererklärung lediglich die in Deutschland einkommensteuerpflichtigen Einkünfte aus Forst- und Landwirtschaft. Das Finanzamt berücksichtige im Rahmen der Veranlagung zusätzlich die niederländischen Einkünfte im Wege des Progressionsvorbehalts. Hiergegen richtet sich die Klage.

 

Entscheidung

Das Gericht folgte dem Kläger und gab seiner Klage statt. Nach den Vorschriften des DBA ist ein Progressionsvorbehalt zwar uneingeschränkt zulässig. Allerdings knüpft die nationale Ausgestaltung des Progressionsvorbehaltes in § 32b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG an die zusätzliche Bedingung an, dass die Einkünfte nicht aus einer in einem EU/EWR-Mitgliedstaat belegenen Betriebsstätte stammen dürfen. Da die Einschränkung des Progressionsvorbehaltes durch das nationale Recht begründet wird, ist hinsichtlich der Streitfrage der Betriebsstättenbegriff ausschließlich nach nationalem Recht zu bestimmen. Für Zwecke des § 12 AO ist eine Betriebsstätte jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit des Unternehmens dient. Eine Geschäftseinrichtung oder Anlage gilt dabei dann als "fest", wenn sie bestimmte örtliche, zeitliche und rechtliche Kriterien erfüllt. Das örtliche und zeitliche Kriterium gilt als erfüllt, wenn ein dauerhafter Bezug zu einem bestimmten Teil der Erdoberfläche besteht. Rechtlich muss eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht des Unternehmers vorliegen. Diese Voraussetzungen sah das Gericht vorliegend zweifellos als erfüllt an. Da der Kläger somit über eine Betriebsstätte in den Niederlanden verfügte, ist die Anwendung des Progressionsvorbehaltes unzulässig.

 

Hinweis

Die Finanzverwaltung hat gegen diese Entscheidung Revision eingelegt (Az.: I R 68/12). Ermittelt die Finanzverwaltung in ähnlich gelagerten Fällen den deutschen Steuersatz unter Berücksichtigung der ausländischen Einkünfte, sollte gegen den Bescheid mit Hinweis auf das anhängige Revisionsverfahren Einspruch eingelegt werden. Dies führt insoweit zu einem Ruhen des Verfahrens.

 

Link zur Entscheidung

FG Köln, Urteil vom 05.09.2012, 4 K 351/11

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