Ein weiterer Ansatz, der den Entscheidungsprozess begünstigen kann ist, sich das Wissen, die Erfahrung und Erwartungen vieler Mitarbeiter und Teilnehmer zu Nutze zu machen. Ein Instrument dafür sind sog. Prognosemärkte.[1]

Prognosemärkte sind aus einer methodischen Perspektive virtuelle Märkte, auf denen Zukunftsinformationen (Erwartungen) gehandelt werden. Auf ihnen bringen Mitarbeiter Informationen ein, indem sie mit Kontrakten handeln, die Einschätzungen über künftige Ereignisse widerspiegeln. Die bisherigen Erfahrungen mit ihnen sind sehr ermutigend. So wurden über Prognosemärkte Wahlausgänge ebenso wie Erfolge von Kinofilmen oder Absatzmengen bestimmter Produkte vorhergesagt. Teilnehmer "kaufen" eine Prognosemarktaktie, wenn sie den derzeitigen Kurs für zu niedrig halten. Über die Anzahl der Aktien gewichten sie ihre Einschätzung: Je mehr Aktien sie kaufen, desto sicherer sind sie sich. Analog "verkaufen" sie Aktien, wenn sie die bisherige Erwartung aller Teilnehmer für überhöht halten. Der Kurs dieser Aktien entspricht der gewichteten durchschnittlichen Erwartung der Teilnehmer und wird als Kollektivprognose interpretiert. Die Vorteile des Prognosemarktes gegenüber der vorherrschenden Methode der Zeitreihenanalysen und Trendextrapolation liegt darin, dass jederzeit neue Informationen und insbesondere neue Erwartungen eingehen können. Der selbe Vorteil ließe sich auch durch eine fortlaufend wiederholte Umfrage unter Teilnehmern erreichen. Prognosemärkte bieten jedoch zusätzlich noch die Chance, dass wie bspw. bei realen Aktienmärkten auch, Nutzer ihre privaten, anderen nicht bekannten Informationen einbringen können, diese Informationen in Echtzeit zu einer Prognose aggregiert werden und man den Verlauf der Verarbeitung neuer Informationen in Echtzeit verfolgen kann.

Damit solche Prognosemärkte auch sinnvolle Ergebnisse liefern, sind mindestens 4 Voraussetzungen zu erfüllen:[2]

  1. Ein geeigneter Gegenstand, also bspw. die Umsatzprognose des kommenden Jahres oder die Erfolgschancen eines Projektabschlusses. Nicht geeignet sind eine große Zahl an Prognosen, wie bspw. zum Absatz für jeden Artikel eines Großhändlers oder sehr schwammige und weit entfernte Ziele, wie die Marktdominanz eines bisher kleinen Unternehmens.
  2. Damit die Ermittlung gewichteter Mittelwerte sinnvoll und möglichst unverzerrt ist, benötigt man eine gewisse Anzahl an Teilnehmern mit einer Diversität an Meinungen und Erfahrungen. Manche sprechen hier von deutlich mehr als 30 benötigten Personen, andere Studien zeigen bereits bei um die 10 Teilnehmern gute Ergebnisse.[3]
  3. Wesentlich ist auch die laufende Teilnahme und Motivation. Gerade bei kleineren Teilnehmerzahlen ist es umso wichtiger, dass diese auch kontinuierlich teilnehmen. Nicht immer ist der Gegenstand für alle Probanden so interessant, dass sie freiwillig teilnehmen. In diesem Fall ist über Anreize nachzudenken.
  4. Relevant ist letztlich auch die Einbindung in die Unternehmens- und Führungskultur. Prognosemärkte betonen stark die Aspekte der Anonymität und Konkurrenz. Anonymität ist wichtig, um den Teilnehmern die Möglichkeit zu bieten, auch sozial oder von einem Unternehmen unerwünschte Informationen (z. B. voraussichtlicher Umsatzeinbruch, Scheitern eines Projekts etc.) äußern zu können.

Die Konkurrenz hingegen ist ausschlaggebend, um den Informationsaggregationsprozess bzw. den Handel im Prognosemarkt in Gang zu setzen. Handel kommt zustande, wenn ein Teilnehmer glaubt, die Prognosemarktaktie sei momentan über- oder unterbewertet, dementsprechend verkauft oder kauft der Teilnehmer Aktien. Damit schlägt er aus seinem Wissen Kapital, d. h. er vergrößert je nach Marktausprägung sein virtuelles Geldvermögen oder steigt in der Rangliste der besten Händler auf. Es besteht also ein Anreiz, Informationen nicht sofort mit anderen zu teilen. In Unternehmen, die sehr stark auf ihre offene und vertrauensvolle Unternehmenskultur setzen, könnte dies ein falsches Signal an die Mitarbeiter senden.

Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass es nicht sehr viele bekannte Anwender in Unternehmen gibt, was angesichts der Vorteile eher bedauerlich ist. Eine kostengünstige und in Bezug auf die Genauigkeit nicht unbedingt schlechtere Alternative sind Umfragen.[4] Dabei wird einmalig oder wiederholt die Einschätzung verschiedener Personen abgefragt und gemittelt. Diese Mittelung hat den Effekt, dass sich Extremeinschätzungen herausmitteln lassen und das Resultat meist recht genau ist, wiederum unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Anzahl von Personen mit ausreichender Diversität an Informationen befragt wird. Umfragen lassen sich recht schnell durchführen, um eine robuste Schätzung zu bekommen.

[1] Vgl. Becker et al., 2013.
[2] Vgl. Rieg/Schoder, 2011.
[3] Vgl. Rieg/Schoder, 2010.
[4] Vgl. Rieg/Schoder, 2010.

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