Entscheidungsstichwort (Thema)

Erweiterte Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG: Auslegung des Begriffs Wohnungsbau

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Zu den tatbestandlichen Voraussetzungen für die erweiterte Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG.
  2. Die erweiterte Kürzung ist u. a. zu versagen, wenn der Stpfl. neben eigenem Grundbesitz und eigenem KapV nicht nur Wohnungsbauten betreut.
  3. Der Begriff "Wohnungsbauten" ist gesetzlich nicht geregelt. Ausgehend vom Wortlaut umfasst der Begriff ausschließlich Gebäude, die zu Wohnzwecken genutzt werden.
 

Normenkette

GewStG 2002 § 9 Nr. 1 S. 2

 

Streitjahr(e)

2011

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 15.04.2021; Aktenzeichen IV R 32/18)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin unter den Anwendungsbereich der Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 1 S. 2 Gewerbesteuergesetz (GewStG) fällt.

Die Klägerin ist eine Kommanditgesellschaft. Komplementärin ist die X - GmbH, Kommanditisten sind die Y – GmbH und die Z GmbH & Co KG. Der Gegenstand des Unternehmens umfasst den Bau bzw. die Anschaffung und die Bewirtschaftung von Wohnungen sowie gewerblich genutzten Gebäuden für eigene Rechnung, die Verwaltung sonstigen Vermögens und alle damit zusammenhängenden Tätigkeiten.

Im Streitjahr verwaltete die Klägerin insgesamt 5.831 Wohnungen, 79 gewerbliche und sonstige Einheiten und 2.930 Garagen und Stellplätz, die sich alle in ihrem Eigentum befanden. Daneben erzielte die Klägerin erstmals seit Januar 2011 aus der Verwaltung fremden Grundbesitzes Erträge in Höhe von 75.960 €. Diese Fremdverwaltung umfasste im Streitjahr 1.224 Wohnungen und gewerbliche Einheiten. Es handelte sich dabei um die folgenden gewerblichen Einheiten in den Verwaltungseinheiten (VE):

VE 1: 28 Wohnungen und 1 Büro, der gewerbliche Anteil nach qm beträgt 18,5 % der gesamten nutzbaren Fläche dieser Einheit.

VE 2: 32 Wohnungen und 1 Fahrschule, der gewerbliche Anteil nach qm beträgt 2 % der gesamten nutzbaren Fläche dieser Einheit.

VE 3: 54 Wohnungen und 1 Wohnheim sowie 1 (Inklusions-) Hotel, der gewerbliche Anteil nach qm beträgt 6 % der gesamten nutzbaren Fläche dieser Einheit.

Weitere fremde Einheiten, die nicht Wohnzwecken dienten, wurden nicht verwaltet. Dieser Verwaltungstätigkeit der Klägerin liegt ein Verwaltervertrag zwischen der A - GmbH (GmbH) und der Klägerin zugrunde. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den in den Akten befindlichen Verwaltervertrag verwiesen.

Im streitigen Veranlagungszeitraum beantragte die Klägerin die erweiterte Gewerbesteuerkürzung gemäß § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG. Der Beklagte veranlagte zunächst erklärungsgemäß und berücksichtigte eine Kürzung in Höhe von 9.527.612 €, der Gewerbesteuermessbescheid erging jedoch gemäß § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

In der sich anschließenden Betriebsprüfung kam der Betriebsprüfer zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für eine Kürzung gemäß § 9 Nr.1 S. 2 GewStG nicht vorlägen, da die Klägerin nicht ausschließlich fremde Wohnungsbauten verwalte. Denn die gemischt genutzten fremden Verwaltungseinheiten - VE 1 bis 3 - stellten keine Wohnungsbauten im Sinne des § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG dar.

Der Beklagte schloss sich der Auffassung der Betriebsprüfung an und erließ einen gemäß § 164 Abs. 2 AO geänderten Gewerbesteuermessbetrag. Er setzte mit Bescheid vom 17. August 2015 einen Gewerbesteuermessbetrag in Höhe von 304.048 € fest. In diesem Bescheid berücksichtigte er eine Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 S. 1 GewStG in Höhe von 1.719.934 €

Der Einspruch der Klägerin blieb erfolglos.

Mit ihrer Klage begehrt sie auch weiterhin die Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG. Zur Begründung trägt sie vor, dass sie die gesetzlichen Voraussetzungen für eine erweiterte Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG erfülle. Auch bei den streitigen drei Verwaltungs-einheiten, die die Klägerin für die GmbH verwalte, handele es sich um Wohnungsbauten im Sinne des § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG. Die wenigen gewerblichen Einheiten in diesen Verwaltungseinheiten seien für eine Einordnung als Wohnungsbauten unschädlich.

Dem Gesetzestext sei bereits zu entnehmen, dass es sich nicht ausschließlich um Wohnungen handeln müsse. Denn im weiteren Verlauf der Vorschrift differenziere der Gesetzgeber bei den Eigentumswohnungen/Teileigentum. Hier lasse er es ausreichen, wenn 66 2/3 der Eigentumsanlage Wohnzwecken diene. Auch spreche der Gesetzgeber von ”Wohnungsbauten“ und nicht von ”Wohnungen“. Hieraus lasse sich schließen, dass die Verwaltung von Gewerbeflächen zumindest in einem geringen Umfang unschädlich sei.

Auch ansonsten setze der Gesetzgeber oft keine ausschließliche Nutzung zu Wohnzwecken voraus. So unterscheide das Bewertungsgesetz in § 75 Bewertungsgesetz (BewG) zwischen Mietwohngrundstücken und Geschäftsgrundstücken. Bei den Mietwohngrundstücken lasse der Gesetzgeber eine Nutzung zu Wohnzwecken von mehr als 80 % ausreichen. Auch der § 7b Einkommensteuergesetz a.F. (EStG), der die Förderung der Schaffung von Wohneigentum geregelt habe, habe lediglich eine 2/3 Nutzung zu Wohnzwecken vorausg...

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