Entscheidungsstichwort (Thema)

Festsetzungsverjährung bei Selbstanzeige

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Bei Steuerhinterziehung beträgt die Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO zehn Jahre.
  2. Werden über Jahre hinweg grob unrichtige Angaben zur Höhe der Kapitaleinkünfte in den Steuererklärungen gemacht, ist eine Steuerhinterziehung nicht zweifelhaft.
  3. Der Lauf der Jahresfrist gem. § 171 Abs. 9 AO beginnt erst, wenn der Stpfl. seine Selbstanzeige hinsichtlich Steuerart und Veranlagungszeitraum konkretisiert. Es gehört zu den Mindestanforderungen an eine Selbstanzeige, dass der Stpfl. Steuerart und Veranlagungszeitraum benennt und die äußeren Umrisse des Sachverhaltes derart schildert, dass erkennbar wird, was Gegenstand der Selbstanzeige sein soll.
 

Normenkette

AO § 169 Abs. 2 S. 2, § 170 Abs. 2 Nr. 1, § 171 Abs. 9

 

Streitjahr(e)

1987

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 10.06.2005; Aktenzeichen VIII B 324/03)

BFH (Beschluss vom 10.06.2005; Aktenzeichen VIII B 324/03)

 

Tatbestand

Streitig ist die Frage, ob der Änderung eines Steuerbescheides der Eintritt der Festsetzungsverjährung entgegensteht.

Die Klägerin ist Gesamtrechtsnachfolgerin nach ihrem am 23. September 1997 verstorbenen Ehemann L..S. In der im Jahre 1988 beim Beklagten eingereichten Einkommensteuererklärung 1987 gaben die Eheleute S ihre Einnahmen aus Kapitalvermögen mit 2.618,- DM an. Die Veranlagung zur Einkommensteuer 1987 erfolgte mit Einkommensteuerbescheid 1987 vom 12. Dezember 1998 insoweit erklärungsgemäß.

Nach dem Tod des Ehemannes teilte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 9. November 1998 dem Beklagten mit, dass die Eheleute S nicht sämtliche Einkünfte aus Kapitalvermögen erklärt hätten. Er sei beauftragt worden, die erzielten Einkünfte aus Kapitalvermögen insgesamt zu ermitteln und nach zu erklären. Wegen fehlender Unterlagen seien umfangreiche Ermittlungen erforderlich, für die er eine Frist bis zum 31. Dezember 1998 beantrage. Dieses Schreiben leitete der Beklagte an das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen (FAFuSt) weiter. Dieses teilte wiederum dem Beklagten unter dem Datum des 11. Dezember 1998 mit, dass es die Klägerin aufgefordert habe, ihre Selbstanzeige zu konkretisieren. Am 23. Dezember 1998 übersandte der Prozessbevollmächtigte dem FAFuSt eine Zusammenstellung der von den Eheleuten S erzielten Kapitaleinkünfte sowie des steuerpflichtigen Vermögens. Für das Jahr 1987 ergaben sich danach Einnahmen aus Kapitalvermögen in Höhe von 70.800,- DM.

Nach Beantwortung einer Rückfrage im Oktober 1999 zum Grund des Anstiegs des Kapitalvermögens vom 01.01.1992 auf den 01.01.1993 und der Bitte um Vorlage von Steuerbescheinigungen für zwei Konten änderte den Beklagte den Einkommensteuerbescheid 1987 gem. § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) mit Bescheid vom 13. Dezember 1999 und setzte die Einkommensteuer 1987 unter Berücksichtigung der nacherklärten Einkünfte aus Kapitalvermögen herauf. Der dagegen gerichtete Einspruch blieb ohne Erfolg.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass der Änderung des Einkommensteuerbescheides 1987 am 13. Dezember 1999 der Eintritt der Festsetzungsverjährung entgegenstehe. Da die Einkommensteuererklärung 1987 im Jahre 1988 beim Beklagten eingereicht worden sei, hätte die Festsetzungsfrist ohne Ablaufhemmung am 31.12.1998 geendet. Durch das Schreiben vom 9. November 1998, das eine Selbstanzeige darstelle, sei der Ablauf der Festsetzungsfrist nach § 171 Abs. 9 AO für ein Jahr gehemmt worden. Der Änderungsbescheid vom 13. Dezember 1999, der am 16. Dezember 1999 als zugegangen gelte, sei nach Ablauf dieser Jahresfrist ergangen. Das folge aus dem Umstand, dass dem Beklagten bereits mit Schreiben vom 9. November 1998 klar und unmissverständlich mitgeteilt worden sei, dass die Eheleute S Einkünfte aus Kapitalvermögen in unzutreffender Höhe erklärt hätten. Damit habe die Finanzverwaltung Kenntnis davon erlangt, dass eine unzutreffende Steuer festgesetzt worden sei, die berichtigt werden müsse; für diese Berichtigung stehe ihr ein Jahr und damit ausreichend Zeit zur Verfügung. § 171 Abs. 9 AO stelle nicht auf das Vorhandensein einer vollständigen und wirksamen Selbstanzeige ab. Wären beispielsweise außer dem Schreiben vom 9. Dezember 1998 keine weiteren Aktivitäten entfaltet worden, würde das bedeuten, dass keinerlei Ablaufhemmung eintrete, weil auch nicht die Voraussetzungen des § 171 Abs. 5 AO erfüllt seien. Dies könne nicht richtig sein.

Die Klägerin beantragt,

den Einkommensteuerbescheid 1987 vom 13. Dezember 1999 sowie den Einspruchsbescheid vom 12. April 2000 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte vertritt demgegenüber die Auffassung, dass im Streitfall noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Seiner Auffassung nach habe erst das Schreiben vom 23. Dezember 1998 als Selbstanzeige die Jahresfrist des § 171 Abs. 9 AO in Lauf gesetzt, so dass der Änderungsbescheid vom 16. Dezember 1999 noch vor Ablauf dieser Frist ergangen sei. Das Schreiben vom 9. November 1998 sei nu...

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