Leitsatz

Echte Schadensersatzleistungen sind kein Entgelt i.S.d. Umsatzsteuerrechts. Ob die Zahlung allerdings für eine Lieferung oder sonstige Leistung an den Zahlenden erfolgt ist, oder weil der Zahlende nach Gesetz oder Vertrag für einen Schaden und seine Folgen einzustehen hatte, ist in der Praxis oft sehr strittig. Nach Auffassung des Hessischen Finanzgerichts können Zahlungen zur vorzeitigen Auflösung eines Beratervertrages (Rechtsberatung einer Anwaltssozietät) nicht steuerbaren Schadensersatz darstellen.

 

Sachverhalt

Eine Anwaltssozietät in der Rechtsform der GbR (Klägerin) hatte mit einer ärztlichen Gemeinschaftspraxis einen Beratungsvertrag abgeschlossen. Die Sozietät sollte die Gemeinschaftspraxis in sämtlichen den Geschäftsbetrieb betreffenden Rechtsangelegenheiten beraten und hierfür eine jährliche Pauschale von X DM erhalten. Der Vertrag wurde für eine Dauer von über 5 Jahren abgeschlossen, eine Kündigung sollte nur aus wichtigem Grund möglich sein. Da sich die ärztliche Gemeinschaftspraxis wegen Differenzen zwischen ihren Gesellschaftern auflösen wollte, teilte sie der Anwaltssozietät mit, dass sie den Beratungsvertrag auflösen bzw. vorzeitig kündigen werde. Nach zähen Verhandlungen wurde eine Vereinbarung dahingehend getroffen, dass man den Beratungsvertrag einvernehmlich, auf dringenden Wunsch der Gemeinschaftspraxis und gegen Zahlung eines Betrages von X DM an die Anwaltssozietät auflösen wird. Die Anwälte behandelten die Entschädigungsleistung als nicht steuerbaren Schadensersatz. Das Finanzamt forderte von ihnen jedoch die Umsatzsteuer.

 

Entscheidung

Die Klage war begründet. Das Finanzamt hat die Zahlung zu Unrecht als Entgelt für eine steuerbare Leistung angesehen. Sogenannte Entschädigungen oder Schadensersatzzahlungen sind kein Entgelt, wenn die Zahlung nicht für eine Lieferung oder sonstige Leistung an den Zahlenden erfolgt, sondern der Zahlende nach Gesetz oder Vertrag für einen Schaden und seine Folgen einzustehen hat. Die Richter gingen davon aus, dass sich die Klägerin und die Ärztegemeinschaft darüber einig waren, dass die Klägerin keinen Anspruch aus dem ursprünglichen Beratungsvertrag, sondern einen Schadensersatzanspruch wegen einer schwerwiegenden Vertragsverletzung geltend machen konnte. Gegenstand der Einigung war nach Ansicht des Finanzgerichts letztlich nur noch die Entschädigungsmodalitäten bzw. die Höhe der Entschädigung. Darin sei kein Leistungsaustausch zu sehen. Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass die vereinbarte Zahlung den der Klägerin entgangenen Gewinn abgelten sollte. Die vertragliche Vereinbarung der Zahlung des Erfüllungsschadens im Rahmen der Auflösungsvereinbarung kann daher nicht anders beurteilt werden als der Fall, dass die Klägerin fristgerecht den Vertrag aus wichtigem Grund gekündigt und sich mit der Ärztegemeinschaft auf den gleichen Betrag als Schadensersatz i.S.d. § 628 Abs. 2 BGB geeinigt hätte.

 

Hinweis

Die Abgrenzung zwischen nicht steuerbarem Schadensersatz und entgeltlicher Leistung ist gerade im nationalen Umsatzsteuerrecht äußerst problematisch. So hat der BFH in der Vergangenheit bereits entschieden, dass Vergütungen für die Entlassung aus einem Vertragsverhältnis steuerbar sein können (BFH, Urteil v. 16.11.1972, V R 8/70, BStBl 1973 II S. 171). Im Hinblick auf ein einheitliches Mehrwertsteuersystem widerspricht eine Unterscheidung, die sich allein am nationalen deutschen Zivilrecht ausrichtet, dem Zweck der europaweiten Harmonisierung. Es ist daher gut möglich, dass der EuGH in dieser Angelegenheit abschließend entscheiden muss. Zunächst wird sich aber der BFH des Falles annehmen und über die nun anhängige Revision (Az. V R 34/03) befinden. Sofern die Parteien zum Vorsteuerabzug berechtigt sind (was hier nicht der Fall war, da Ärztegemeinschaft!), empfiehlt es sich für die Praxis, solche Vereinbarungen zuzüglich gesonderten Mehrwertsteuerausweises zu treffen. Eine weitergehende Problematisierung durch die Finanzverwaltung wird dann in der Regel nicht erfolgen.

 

Link zur Entscheidung

Hessisches FG, Urteil vom 28.04.2003, 6 K 982/99

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