Leitsatz

Bei einem Schätzungsbescheid stellen nur die Schätzungsgrundlagen Tatsachen dar. Durch die Feststellung neuer Schätzungsgrundlagen werden damit Tatsachen nachträglich bekannt. Es müssen indessen Schätzungsgrundlagen bekannt werden, die das FA bei rechtzeitiger Kenntnis veranlasst hätten, die Schätzung nicht oder nicht in dieser Weise vorzunehmen.

 

Sachverhalt

Die Klägerin erzielte gewerbliche Einkünfte aus dem Betrieb einer Gaststätte. Der Gewinn wurde durch eine Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermittelt. In 2006 verpflichtete sich die Klägerin in einem Bierbezugsvertrag zum ausschließlichen Ausschank des Bieres einer Brauerei. Hierfür erhielt sie im Gegenzug ein sog. Abschreibungsdarlehen i. H .v. TEUR 31, für welches Tilgungen für jeden bezogenen Hektoliter berechnet wurden. Wegen der umsatzsteuerlichen Behandlung des Abschreibungsdarlehens stellte die Klägerin einen Antrag auf eine verbindliche Auskunft, die abgelehnt wurde. Da für 2006 keine Steuererklärung abgegeben wurde, erließ das Finanzamt einen Schätzungsbescheid, der nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stand. Im Einspruchsverfahren reichte die Klägerin eine Steuererklärung ein, der Verlust betrug demnach EUR 1.469,71. Das Finanzamt erließ daraufhin einen geänderten Bescheid, in dem es aber unter anderem TEUR 31 als Betriebseinnahmen neu erfasste. Insgesamt ergaben sich positive Einkünfte von TEUR 26. Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen. In ihrer Klage führte die Klägerin aus, das Finanzamt habe keine Änderung des Schätzungsbescheids vornehmen dürfen, ohne ihr zuvor Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Sie hätte dann den Einspruch zurückgenommen. Die Voraussetzungen für eine Änderung nach § 173 AO seien nicht gegeben.

 

Entscheidung

Die Klage hatte Erfolg, da der Feststellungsbescheid rechtswidrig war. Die Voraussetzungen für eine Änderung des ursprünglichen Schätzungsbescheides nach § 173 AO seien hier nicht gegeben. In Schätzfällen bestünde dabei die Besonderheit, dass die Schätzung als solche keine Tatsache ist, wohl aber die Schätzungsgrundlagen. Wann in solchen Fällen Änderungen der Steuerfestsetzungen erfolgen dürften, habe der BFH verschiedentlich entschieden. Dabei sei anerkannt, dass die Angaben in einer nachträglich eingereichten Steuererklärung regelmäßig neue Tatsachen i. S. d. § 173 AO seien. Hier liege dabei jedoch insofern ein Sonderfall vor, als die Erhöhung des Gewinns im Wesentlichen auf einer bereits bekannten Tatsache, dem Bierbezugsvertrag beruhe. Diese Tatsache sei bereits bei der Schätzung bekannt gewesen, wenn auch nicht hinreichend gewürdigt worden. Neu sei die Tatsache indes nicht gewesen; eine Änderung des nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheides damit ausgeschlossen.

 

Hinweis

Das Urteil verdient insofern Beachtung, als es vor Augen führt, wann ein Schätzungsbescheid nachträglich nach § 173 AO geändert werden kann (vgl. ausführlich Frotscher, in Schwarz, AO, § 173 AO Rz. 69ff.). Hierbei gibt es nämlich die Besonderheit, dass eine auf einer Schätzung beruhende Steuerfestsetzung nur dann nach § 173 AO geändert werden kann, wenn neue Schätzungsunterlagen bekannt werden. Diese neuen Schätzungsunterlagen müssen solche Tatsachen sein, die - wären sie zum Zeitpunkt der Schätzung bekannt gewesen - eine andere Schätzung des Finanzamts erforderlich gemacht hätten. Dabei war hier das sog. Abschreibungsdarlehen sicherlich eine Tatsache. Allerdings war diese nicht neu, da die Klägerin den Vertrag dem Finanzamt bereits zugesandt hatte, um eine verbindliche Auskunft zu erlangen. Dass diese ihr verweigert wurde, ist unerheblich. Die Tatsache des Abschreibungsdarlehens an sich war dem Finanzamt unzweifelhaft bekannt. Insofern ist die Entscheidung als zutreffend anzusehen.

Gegen das Urteil wurde Revision eingelegt. Das Aktenzeichen des BFH ist X R 57/13.

 

Link zur Entscheidung

Niedersächsisches FG, Urteil vom 04.03.2013, 12 K 279/12

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