In Kapitel 2 wurden die Zusammenhänge auf der Beschaffungs- und Absatzseite sowie die zwischen beiden Seiten aufgeführt. Sowohl eine Kunden- als auch eine Lieferantenprofitabilität ließen sich ermitteln, wenn für jeden Artikel ein Deckungsbeitrag zugeordnet werden könnte, was jedoch aufgrund der vorliegenden Wechselwirkungen nicht möglich ist. In Kapitel 3 wurde mit der relativen Einzelkosten- und Deckungsbeitragsrechnung ein Kostenrechnungssystem vorgestellt, in dem die Schlüsselung von Gemeinkosten strikt untersagt ist. In der Praxis wird dies jedoch nicht so strikt gehandhabt.[1]

[1] Ich danke meinem Kollegen Jürgen Bodynek für Anregungen und wertvolle Hinweise.

4.1 Ermittlung der Kundenprofitabilität

Bei der Ermittlung der Kundenprofitabilität geht es nicht darum, den Unternehmenserfolg als die Summe aller Kundendeckungsbeiträge abzubilden. Vielmehr geht es darum, die Kundendeckungsbeiträge ins Verhältnis zueinander zu setzen. Dabei werden dem einzelnen Kunden nur die Kosten zugerechnet, die ihm als Einzelkosten zugerechnet werden können. Dies sind in einem Handelsunternehmen fast nur die "Kosten des Umsatzes", kurz Cogs (Cost of goods sold [Umsatz-/Verkaufskosten]), da alle übrigen Kosten Bereitschaftskosten sind. Somit verbleibt als Deckungsbeitrag lediglich die Differenz aus dem gezahlten (Netto-)Preis und den zum Zeitpunkt des Erwerbs gültigen Cogs.

Dies kann dazu führen, dass die Summe der Kundendeckungsbeiträge niedriger ist als die Summe der über die Warengruppen oder Lieferanten aufaddierten Deckungsbeiträge, wie Abb. 2 zeigt:

 
  Cogs Kunde A Kunde B Lieferant Wgr*
    Umsatz DB Marge Umsatz DB Marge DB Bestand Marge
Lieferung von 1.000 Stk zum Preis von 1,00 EUR 1,00             –1.000,00 1.000,00  
Kunde A kauft 100 Stk zum Preis von 1,20 EUR 1,00 120,00 20,00 16,7 %       120,00 –100,00 16,7 %
Kunde B kauft 800 Stk zum Preis von 1,10 EUR 1,00       880,00 80,00 9,1 % 880,00 –800,00 10,0 %
Lieferung von 500 Stk zum Preis von 0,90 EUR 0,92             -450,00 450,00 10,0 %
Kunde A kauft 200 Stk zum Preis von 1,20 EUR 0,92 240,00 56,67 23,6 %       240,00 –183,33 12,6 %
Lieferant gewährt nachträgliche Vergütung von 0,10 EUR/Stk 0,82             150,00 –40,00 21,5 %
Kunde A kauft 100 Stk zum Werbepreis von 1,00 EUR 0,82 100,00 18,33 18,3 %       100,00 –81,67 21,3 %
Kunde B kauft 200 Stk zum Preis von 1,10 EUR 0,82       220,00 56,67 25,8 % 220,00 –163,33 21,9 %
Ware auf Lager wird um 50 % abgeschrieben 0,41               –40,83 19,3 %
Kunde A kauft Restbestände zu 0,50 EUR 0,41 50,00 9,17 18,3 %       50,00 –40,83 19,3 %

Summe

* Warengruppe
  510,00 104,17 20,4 % 1.100,00 136,67 12,4 % 310,00 0,00 19,3 %

Abb. 2: Berechnungsbeispiel 1 einer Kunden- und Lieferantenprofitabilität (1)

In dem in Abb. 2 aufgeführten Beispiel ändern sich die Cogs eines Artikels im Zeitablauf von 1,00 EUR auf 0,41 EUR.

  1. Zunächst werden die Artikel zum Preis von 1,00 EUR geliefert, die Cogs sind somit 1,00 EUR.
  2. Zu einem späteren Zeitpunkt werden weitere 500 Artikel zum Preis von 0,90 EUR geliefert. Da zu diesem Zeitpunkt noch 100 Stk zu 1,00 EUR auf Lager liegen, betragen die Cogs nach der Lieferung 0,92 EUR (Bewertung erfolgt zum gleitenden Durchschnitt).
  3. Der Lieferant zahlt zu einem späteren Zeitpunkt eine nachträgliche Vergütung (NVG) von 0,10 EUR pro gelieferten Artikel. Zu diesem Zeitpunkt sind bereits 1.100 Stk verkauft, d. h., für die verbleibenden 400 Stk verringern sich die Cogs um 0,10 EUR.
  4. Es wird unterstellt, dass die letzten 100 Stück um die Hälfte auf 0,41 EUR abzuschreiben sind, da in der Zwischenzeit ein preiswerterer Artikel in das Sortiment aufgenommen worden ist.

Obwohl Kunde A zu zwei Zeitpunkten jeweils 1,20 EUR/Stk bezahlt, wird beim ersten Kauf eine Marge von 16,7 % und beim zweiten Kauf eine Marge von 23,6 % realisiert. Kunde B kauft ebenfalls in zwei Zeitpunkten zu jeweils 1,10 EUR/Stk, wobei beim ersten Kauf eine Marge von 9,1 % und beim zweiten Kauf eine Marge von 25,8 % realisiert wird. In Summe weist Kunde A einen Deckungsbeitrag von 104,17 EUR (Marge von 20,4 %) und Kunde B einen Deckungsbeitrag von 136,67 EUR (Marge von 12,4 %) aus. In Summe wird damit ein Deckungsbeitrag von 240,84 EUR realisiert.

4.2 Ermittlung der Lieferantenprofitabilität

In dem Beispiel lässt sich die Lieferantenprofitabilität sehr leicht ermitteln. Der Lieferant erhält für seine gelieferten 1.500 Artikel 1.450 EUR. Davon abzuziehen ist die nachträgliche Vergütung in Höhe von 150 EUR. Er bekommt somit in Summe 1.300 EUR. Mit den gelieferten Artikeln kann ein Umsatz von 1.610 EUR erzielt werden; es ergibt sich somit ein Deckungsbeitrag von 310 EUR. Der Deckungsbeitrag ist mit 69,16 EUR höher als die Summe der Kundendeckungsbeiträge mit diesem Artikel. Dies liegt zum einen daran, dass die nachträgliche Vergütung zu einem Zeitpunkt erfolgt, zu dem schon 1.100 Stk verkauft sind, d. h., der Deckungsbeitrag ist um 110 EUR zu niedrig. Zum anderen liegt es daran, dass der Lieferantendeckungsbeitrag durch die Abschreibung um 40,84 EUR reduziert worden ist.

Da diese Differenz in der Praxis schwer vermittelbar ist, werde...

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