Leitsatz

Hängt die Kindergeldberechtigung davon ab, dass das im Ausland studierende Kind seinen inländischen Wohnsitz beibehalten hat, und ist dafür die Dauer seiner Aufenthalte im inländischen Elternhaus von Bedeutung, so kommt es nur auf die Unterbrechungen des Auslandsaufenthalts an. Die Dauer der Inlandsaufenthalte vor dem Beginn oder nach dem Ende des Studiums bleibt dabei außer Betracht.

 

Normenkette

§ 8 AO, § 62 Abs. 1 EStG

 

Sachverhalt

Die Tochter der Kläger begann nach ihrem Abitur im Juli 2007 am 17.08.2007 ein Studium an einer Universität in den USA, das voraussichtlich 60 Monate dauern sollte. Seitdem hielt sie sich jeweils weniger als fünf Monate im Jahr in ihrem Elternhaus in Deutschland auf. Die Familienkasse hob die Festsetzung des Kindergelds ab August 2007 auf.

Die Klage war hinsichtlich der Kindergeldfestsetzung für August bis Dezember 2007 erfolgreich. Das FG (Niedersächsisches FG, Urteil vom 09.07.2009, 1 K 231/08, Haufe-Index 2271214, EFG 2010, 240) entschied, ein Kind, das zum Zweck eines 60-monatigen Studiums ins Ausland gehe, behalte seinen Wohnsitz in der Wohnung der Eltern im Inland nur dann bei, wenn es sich dort fünf Monate im Jahr aufhalte. Dies sei ab Januar 2008 nicht der Fall, die Klage wurde insoweit rechtskräftig abgewiesen. Im Jahr 2007 habe sich die Tochter aber mehr als fünf Monate im Inland aufgehalten.

 

Entscheidung

Der BFH hob das FG-Urteil auf. Im zweiten Rechtsgang ist zu prüfen, ob der inländische Wohnsitz nach den tatsächlichen Umständen des Streitfalls bereits 2007 aufgegeben wurde. Falls dies bejaht wird, kann für den Monat August noch Kindergeld beansprucht werden, wenn die Tochter nicht bereits im Juli ausreiste.

 

Hinweis

1. Für Kinder, die keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, einem EU-Mitgliedstaat oder einem EWR-Staat haben und die auch nicht im Haushalt eines Berechtigten i.S.d. § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG leben, wird nach § 63 Abs. 1 S. 3 EStG kein Kindergeld gewährt. Das Existenzminimum dieser Kinder wird nur durch die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG von der Besteuerung freigestellt, die keine unbeschränkte Steuerpflicht des Kinds voraussetzen.

2. Zum Wohnsitz (§ 8 AO) und zum gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO) im Inland gibt es umfangreiche Rechtsprechung, die hinsichtlich des erforderlichen Inlandsaufenthalts unterschiedliche Anforderungen stellt. Da es bei den Begleitumständen des Innehabens einer Wohnung weitgehend um Tatsachenwürdigung geht, sind FG-Urteile insoweit nur eingeschränkt revisibel (§ 118 Abs. 2 FGO).

3. Während bei langjährig im Ausland tätigen Steuerpflichtigen mit vollständig eingerichteter eigener Wohnung im Inland ein Wohnsitz z.T. unabhängig von der zeitlichen Nutzung angenommen wird (z.B. BFH, Urteil vom 24.01.2001, I R 100/99, BFH/NV 2001, 1402; BFH, Urteil vom 24.04.2007, I R 64/06, BFH/NV 2007, 1893), hat ein Teil der Praxis das BFH-Urteil vom 23.11.2000, VI R 107/99 (BFH/NV 2001, 680) dahin verstanden, dass Kinder, die sich zum Studium für mehrere Jahre ins Ausland begeben, ihren Wohnsitz in der inländischen elterlichen Wohnung nur dann beibehalten, wenn sie sich dort jährlich mindestens fünf Monate aufhalten. Tatsächlich besagt dieses Urteil, dass ein Aufenthalt von fünf Monaten im Jahr in der Wohnung der Eltern jedenfalls genüge, um einen inländischen Wohnsitz beizubehalten, dafür aber nicht stets erforderlich sei. Eine "tatbestandsähnliche" Fünfmonatsgrenze ließe sich mit der übrigen Rechtsprechung zu § 8 AO (z.B. BFH, Urteil vom 19.03.1997, I R 69/96, Haufe-Index 66267, BStBl II 1997, 447) und zur doppelten Haushaltsführung Lediger auch kaum vereinbaren (vgl. BFH, Urteil vom 30.07.2009, VI R 13/08, BFH/NV 2009, 1986).

4. Soweit die Beibehaltung des inländischen Wohnsitzes durch das im Ausland studierende Kind von der Dauer der Inlandsaufenthalte abhängt, sind Zeiträume außer Betracht zu lassen, in denen sich das Kind vor dem Beginn oder nach dem Ende des Studiums ausschließlich im Inland aufhält. Maßgeblich sind also nur die Inlandsaufenthalte während der Zeiträume, in denen das Kind im Ausland einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Daher könnte für ein Kind, das sein langjähriges Auslandsstudium im November beginnt, das Kindergeld für Dezember versagt werden, obwohl es sich in den vorangegangenen elf Monaten des Kalenderjahrs ausschließlich im Inland aufgehalten hat. Kehrt ein Kind z.B. nach Abschluss seines Auslandsstudiums im Februar auf Dauer nach Deutschland zurück, so genügt dies nicht zur Begründung des Kindergeldanspruchs für den Monat Januar.

5. Das Besprechungsurteil äußert sich nicht dazu, welche weiteren Kriterien neben der Dauer der Inlandsaufenthalte für oder gegen die Beibehaltung des inländischen Wohnsitzes sprechen (Vergleich der im Inland und der am ausländischen Studienort zur Verfügung stehenden Raumgröße? Standort des überwiegenden Teils der Habe?). Staatsangehörigkeit und kulturelle Verankerung sind jedenfalls unerheblich (BFH, Urteil vom 23.11.2000, VI R 107/99, BFH/NV 2001, 680,...

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