Kommentar

1. Bei dauernd getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten oder bei Eltern nichtehelicher Kinder wird für jedes zu berücksichtigende Kind bei jedem Elternteil ein halber Kinderfreibetrag in Höhe von 1.242 DM abgezogen ( § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG in der für 1989 geltenden Fassung). Ein Elternteil, der selbst seine Unterhaltspflicht erfüllt, kann die Übertragung des Kinderfreibetrags des anderen Elternteils auf sich beantragen, wenn dieser seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind nicht oder nur zu einem unwesentlichen Teil nachkommt ( § 32 Abs. 6 Satz 4 EStG in der für 1989 geltenden Fassung).

2. Stellt ein Elternteil den anderen Elternteil von der Unterhaltsverpflichtung gegenüber einem gemeinsamen Kind gegen ein Entgelt frei, das den geschätzten Unterhaltsansprüchen des Kindes entspricht, und bestreitet er dann (auch) den vollen Kindesunterhalt, liegt darin gleichzeitig eine Unterhaltserfüllung des freigestellten Elternteils. Der freigestellte Elternteil behält seinen Anspruch auf einen (halben) Kinderfreibetrag.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 25.01.1996, III R 137/93

Anmerkung:

Die Ehe der Klägerin ist seit 1989 geschieden. Die aus der Ehe hervorgegangenen – 1975 und 1982 geborenen – Kinder lebten im Streitjahr (1989) in ihrem Haushalt. Mit der Begründung, ihr früherer Ehemann habe im Streitjahr keinen wesentlichen Beitrag für den Unterhalt der Kinder geleistet, begehrte die Klägerin die Übertragung des dem früheren Ehemann zustehenden Kinderfreibetrags nach § 32 Abs. 6 Satz 4 EStG . Das Finanzamt lehnte den Antrag im Hinblick darauf ab, daß sich der frühere Ehemann durch eine – anläßlich der Ehescheidung vereinbarte – einmalige Sonderzahlung am Unterhalt der Kinder beteiligt hatte.

Auch der BFH sah die Voraussetzungen für eine Übertragung des Kinderfreibetrags auf die Klägerin nicht als gegeben an, weil der frühere Ehemann der Klägerin seiner Unterhaltspflicht gegenüber den beiden Kindern zu mehr als nur zu einem unwesentlichen Teil nachgekommen sei. Eltern könnten sich im Verhältnis zueinander über die von ihnen zu leistenden Unterhaltsbeträge verständigen und grundsätzlich auch einen von ihnen von der Unterhaltspflicht völlig freistellen. Das könne – wie auch im Streitfall – durch einen Vertrag über die Scheidungsfolgen geschehen. Für die Freistellung von der Unterhaltspflicht habe der frühere Ehemann der Klägerin eine Gegenleistung in Form von Geld und dem Verzicht auf geldwerte Rechte (wie z. B. auf den Zugewinnausgleich) erbracht.

Die Entscheidung geht von der bis zum Jahr 1995 geltenden Rechtslage aus, nach der der Familienlastenausgleich durch das sogenannte „duale System” verwirklicht wurde. Dieses System bestand in einer Kombination aus steuerlicher Entlastung durch den Kinderfreibetrag ( § 32 Abs. 6 EStG ) und der Gewährung von Kindergeld nach dem BKGG. Ab dem 1.1. 1996 ist der Familienlastenausgleich für Kinder grundlegend anders geregelt ( § 31 EStG ). Während die Eltern bisher Kinderfreibeträge und Kindergeld nebeneinander erhielten, wird ihnen nunmehr das Kindergeld ( § 62 ff. EStG ) oder der Kinderfreibetrag ( § 32 EStG ) nur noch alternativ gewährt.

Seit 1996 erhalten die Eltern im laufenden Jahr zunächst nur Kindergeld . Bei getrennt lebenden, geschiedenen oder unverheirateten Eltern wird das Kindergeld grundsätzlich demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat ( § 64 Abs. 2 EStG ). Die Möglichkeit, einen Kinderfreibetrag (1996:3.132 DM für Alleinstehende, 6.264 DM für Verheiratete) zu erhalten, kann sich – wenn überhaupt – erst nach Abgabe der Steuererklärung ergeben. Erweist sich dann, daß das gezahlte Kindergeld nicht die Höhe der Steuerentlastung erreicht, die sich beim Ansatz eines Kinderfreibetrags ergeben würde, ist bei der Einkommensteuerveranlagung ein Kinderfreibetrag anzusetzen und das bereits gezahlte Kindergeld der festzusetzenden Einkommensteuer hinzuzurechnen ( § 36 Abs. 2 EStG ). Die Übertragung eines Kinderfreibetrags nach § 32 Abs. 4 Satz 5 EStG ist – wie bisher – denkbar, wenn z. B. das Kind bei der Mutter lebt und der Vater seiner Unterhaltsverpflichtung nicht nachkommt. Bei einer Sachverhaltsgestaltung wie im vorliegenden Streitfall müßte ein Antrag auf Übertragung des Freibetrags – wie schon bisher – abgelehnt werden.

Kinderfreibetrag

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