Leitsatz

Die Steuerfreiheit nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 2 und 3 EStG i.V.m. § 10 Abs. 2 S. 2 Buchst. c EStG i.d.F. des StÄndG 1992 von Zinsen aus den Sparanteilen, die in den Beiträgen zu Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall enthalten sind, ist ungeachtet der Verwendung der Versicherungen zur Sicherung von Policendarlehen gegeben, wenn diese Darlehen vor Ablauf von drei Jahren aus anderen Mitteln des Steuerpflichtigen zurückgeführt wurden und damit die vertraglich vereinbarten Voraussetzungen für einen Einsatz der Versicherungen zur Tilgung nicht eingetreten sind.

 

Normenkette

§ 20 Abs. 1 Nr. 6, § 10 Abs. 2 S. 2 Buchst. c EStG

 

Sachverhalt

Der Kläger hatte eine Lebensversicherung mit einer Laufzeit von 1980 bis 2012 abgeschlossen. In den Jahren 2002 und 2003 nahm er jeweils Policendarlehen auf. Die Darlehen konnten jederzeit zurückgezahlt werden. Nach den Vertragsbestimmungen sollten sie bei Fälligkeit einer Kapitalleistung oder einer Leibrente aus der Versicherung einbehalten werden. Der Kläger zahlte die beiden Policendarlehen innerhalb von drei Jahren zurück.

Aufgrund der Mitteilungen des Versicherungsunternehmens gem. § 29 Abs. 1 EStDV stellte das FA die Steuerpflicht von Zinsen aus der Kapitallebensversicherung mit der Begründung fest, durch die Aufnahme der Darlehen seien die Zinsen aus der Kapitallebensversicherung in vollem Umfange steuerpflichtig geworden, da die Lebensversicherung nicht nur zur Sicherung, sondern auch zur Tilgung der Darlehen gedient hätte.

 

Entscheidung

Der BFH hob das klageabweisende Urteil des FG (FG Düsseldorf vom 15.01.2008, 13 K 2416/06 F, Haufe-Index 2025887, EFG 2008, 1457) sowie den angefochtenen Feststellungsbescheid des FA aus den oben genannten Gründen auf.

 

Hinweis

1. Steuerrechtsgeschichte kann durchaus aktuell sein und die steuerberatenden Berufe ebenso wie die FA und FG auf Dauer in Atem halten. Zinsen aus bis zum 31.12.2004 abgeschlossenen Lebensversicherungsverträgen waren gem. § 20 Abs. 1 Nr. 6, § 10 Abs. 2 S. 2 EStG unter bestimmten Voraussetzungen steuerfrei. Diese Steuerbefreiung ist durch das Alterseinkünftegesetz vom 05.07.2004 entfallen. Für Altverträge gilt das bisherige Recht jedoch zeitlich unbegrenzt weiter. Deshalb wird wegen der langen Laufzeit der Verträge noch viele Jahre lang immer wieder über Streitfragen zu den Voraussetzungen der Steuerbefreiung zu entscheiden sein.

2. Das Gesetz beschert hier dem Rechtsanwender eine verwirrende Kaskade von Regeln, Ausnahmen, Rückausnahmen und Rück-Rückausnahmen:

  • Zinsen aus Lebensversicherungen sind grundsätzlich steuerpflichtig (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 1 EStG)
  • Eine Ausnahme von der Steuerpflicht regelt § 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 2 EStG in der bis 2004 geltenden Fassung für bestimmte Versicherungen, die nach Ablauf von 12 Jahren ausgezahlt werden.
  • Eine Rückausnahme hiervon bestimmt § 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 4 EStG in der bis 2004 geltenden Fassung. Danach gilt die Steuerbefreiung nach S. 2 für die in § 10 Abs. 2 S. 2 EStG genannten Versicherungen nicht, wenn die Versicherungsbeiträge nicht als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 2 S. 2 EStG abgezogen werden können. Der Sonderausgabenabzug ist danach grundsätzlich ausgeschlossen, wenn die Versicherung zur Tilgung oder Sicherung eines Darlehens dient, dessen Finanzierungskosten (insb. Zinsen) Betriebsausgaben oder Werbungskosten sind.
  • Als Rück-Rückausnahmen regelt § 10 Abs. 2 S. 2 EStG in der bis 2004 geltenden Fassung drei Fälle (Buchstaben a-c), in denen die Betriebsausgaben- oder Werbungskosteneigenschaft der Kreditzinsen für den Sonderausgabenabzug der Versicherungsbeiträge und die damit verknüpfte Steuerfreiheit der Zinsen aus der Lebensversicherung unschädlich ist.

3. In dem hier zu behandelnden Urteil ging es um Buchst. c dieser Regelung. Danach wird die Abziehbarkeit der Aufwendungen als Sonderausgaben nicht berührt, wenn die Ansprüche aus Versicherungsverträgen insgesamt nicht länger als drei Jahre der Sicherung betrieblich veranlasster Darlehen dienen. Fraglich war, was "dienen" in diesem Zusammenhang genau bedeutet. "Dient" eine Lebensversicherung auch dann der Sicherung eines Darlehens, wenn das Darlehen bei Fälligkeit vereinbarungsgemäß aus der Lebensversicherung hätte getilgt werden sollen, wenn dieser Tilgungsfall aber nicht eingetreten ist, weil der Steuerpflichtige das Darlehen innerhalb von drei Jahren aus anderen Mitteln zurückgezahlt hat, sodass die Lebensversicherung tatsächlich nur vorübergehend zu Sicherungszwecken eingesetzt worden ist?

Diese Frage ist aufgrund des Gesetzeszwecks zu bejahen: Die Regelung soll nämlich Unternehmen die Möglichkeit verschaffen, zur Überwindung kurzfristiger Liquiditätsschwierigkeiten Policendarlehen auf Lebensversicherungen der jeweiligen Unternehmer aufzunehmen (vgl. BTDrucks. 12/1506, S. 156). Diese Regelung liefe aber weithin leer, wenn allein die Tatsache eines nur möglichen Einsatzes zur Tilgung die Anwendbarkeit ausschließen würde; denn zwangsläufige Folge des tatsächlichen Einsatzes "zur Sicherung" des Darlehens – auf den die Vor...

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