Leitsatz

1. Zinsen aus Sparanteilen aus Beiträgen für vor dem 1.1.1974 abgeschlossene Lebensversicherungen sind nach § 52 Abs. 19 EStG i.d.F. d. EStRG vom 5.8.1974 (BGBl I 1974, 1709) nicht steuerbar.

2. An dieser Rechtslage hat der Gesetzgeber ausweislich der Regelung in § 52 Abs. 20 EStG i.d.F. d. StRG1990uaÄndG vom 30.6.1989 (BGBl I 1989, 1267) festgehalten und damit rückwirkend die zuvor mit dem StRG 1990 vom 25.7.1988 (BGBl I 1988, 1093) eingeführte erweiterte Steuerbarkeit der Zinsen gestrichen.

 

Normenkette

§ 10 Abs. 2 Satz 2, § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1, EStG i.d.F. d. StÄndG 2001, § 52 Abs. 19 EStG i.d.F. d. EStRG, § 52 Abs. 20 EStG i.d.F. d. StRG1990 uaÄndG

 

Sachverhalt

Ein Maler hatte von seiner Bank seit Jahren einen Kreditrahmen in Anspruch genommen. Im Mai 2001 zeigte die Bank dem FA an, dass der Steuerpflichtige die Ansprüche aus einer Lebensversicherung zur Sicherung eines im April vereinbarten und gewährten Darlehens verwendet habe. Die zur Sicherung eingesetzten Versicherungsansprüche betrafen einen Lebensversicherungsvertrag mit einer Laufzeit von 1966 bis 2005.

Das FA ging davon aus, dass die Verwendung der Lebensversicherung zur Darlehensbesicherung die Steuerfreiheit der aus der Versicherung erzielten Zinsen habe entfallen lassen und stellte die Steuerpflicht der Zinsen aus der Lebensversicherung gesondert fest.

Das FG hat die Klage des Steuerpflichtigen u.a. wegen eines deutlich unterhalb der Höhe der aufgenommenen Darlehensbeträge liegenden Anschaffungs- oder Herstellungsaufwands als unbegründet abgewiesen (FG Düsseldorf, Urteil vom 4.12.2008, 12 K 2080/05 F, Haufe-Index 2332613).

 

Entscheidung

Auf die Revision des Klägers hob der BFH das angefochtene Urteil sowie den angefochtenen Bescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung auf. Der angefochtene Bescheid über die gesonderte Feststellung der Steuerpflicht der Zinsen aus den in den Beiträgen zur Lebensversicherung des Klägers enthaltenen Sparanteilen (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG) sei rechtswidrig, weil die Steuerbarkeit dieser Zinsen nur für nach dem 31.12.1973 abgeschlossenen Lebensversicherungen gelte, der Kläger seine Lebensversicherung aber schon 1966 abgeschlossen habe.

 

Hinweis

1. Der BFH betreibt des Öfteren Steuerrechtsgeschichte, d.h. er befasst sich mit Vorschriften, die es im Zeitpunkt der Entscheidung längst nicht mehr gibt. Der Streit um Zinsen aus den in Beiträgen zu Lebensversicherungen enthaltenen Sparanteilen führt in eine noch weitere Dimension: Da Lebensversicherungen manchmal Jahrzehnte laufen, bevor sie als Kreditsicherung eingesetzt und damit – je nach den Einzelheiten der vertraglichen und tatsächlichen Abwicklung – steuerschädlich verwendet werden, müssen sehr weite Zeiträume überblickt werden. Zudem ist die Regelung über die Steuerpflicht dieser Zinsen (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG) mit ihren verschlungenen Ausnahmen, Rückausnahmen und Rück-Rückausnahmen so kompliziert, dass jeder Fall auch für den Steuerspezialisten immer aufs Neue eine Herausforderung bedeutet.

So konnte es dazu kommen, dass in diesem Fall der Steuerpflichtige, der von einer renommierten Kanzlei vertreten war, das FA und das FG allesamt die gesetzlichen Grundlagen des Falles schlichtweg übersehen haben.

2. Das für die Einkommensbesteuerung des Versicherungsnehmers zuständige FA stellt die Steuerpflicht der Zinsen aus den in den Beiträgen enthaltenen Sparanteilen gesondert fest, wenn für Beiträge zu Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG (i.d.F. d. StÄndG 2001), die über die Steuerfreiheit nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG entscheiden, nicht erfüllt sind.

3. Diese Feststellung setzt indessen voraus, dass die Zinsen aus den Sparanteilen der abgeschlossenen Lebensversicherung steuerbar sind.

a) Daran fehlt es, wenn Lebensversicherungen vor dem 1.1.1974 abgeschlossen worden sind. Die Steuerbarkeit entsprechender Zinsen hat der Gesetzgeber erst mit dem Gesetz zur Reform der Einkommensteuer, des Familienlastenausgleichs und der Sparförderung (Einkommensteuerreformgesetz) vom 5.8.1974 (BGBl I 1974, 1769, BStBl I 1974, 530) eingeführt. Zugleich hat er in § 52 Abs. 19 EStG i.d.F. dieses Gesetzes bestimmt, dass die Regelung ­erstmals für nach dem 31.12.1974 zugeflossene Zinsen aus Versicherungsverträgen gilt, die nach dem 31.12.1973 abgeschlossen worden sind.
b) An dieser Rechtslage hat der Gesetzgeber ausweislich der Regelung in § 52 Abs. 20 EStG i.d.F. d. Gesetzes zur Änderung des Steuerreformgesetzes 1990 sowie zur Förderung des Mietwohnungs­baus und von Arbeitsplätzen in Privathaushalten (StRG1990uaÄndG) vom 30.6.1989 (BGBl I 1989, 1267, BStBl I 1989, 251) festgehalten und damit rückwirkend die zuvor mit Art. 1 Nr. 22,73 Buchst. q des Steuerreformgesetzes 1990 vom 25.7.1988 (BGBl I 1988, 1093, BStBl I 1988, 224) eingeführte erweiterte Steuerbarkeit der Zinsen wieder aufgehoben.
 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 29.5.2012 – VIII R 16/10

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