Leitsatz

1. Als Gesellschafter haftet nur, wer Mitunternehmer i.S.d. § 15 Abs. 1 EStG ist.

2. Mitunternehmerinitiative und Mitunternehmerrisiko sind hierfür Merkmale, die mehr oder weniger ausgeprägt sein können ("Typusbegriff"); beide müssen jedoch vorliegen.

3. Entscheidungsbefugnisse im Rahmen der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit und strafrechtliche Verantwortlichkeit für die Geschäftsabwicklung besagen nichts über eine Mitunternehmerinitiative.

4. Eine durch Lebensgemeinschaft mit einem Gesellschafter vermittelte Beteiligung am wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens besagt nichts über ein Mitunternehmerrisiko.

 

Normenkette

§ 191 Abs. 1 AO, § 15 Abs: 1 S. 1 Nr. 2 EStG, § 716 Abs. 1 BGB, § 128 S. 1 HGB*Leitsatz nicht amtlich

 

Sachverhalt

Das FA nimmt die Klägerin auf Haftung für USt eines Unternehmens in Anspruch, dessen Geschäftstätigkeit im Wesentlichen im Vertrieb von Gebrauchtwagen unter betrügerischer Verschleierung ihres tatsächlichen Kilometerstands, etwaiger Unfallschäden etc. bestand. Die Klägerin war aufgrund eines Arbeitsvertrags für dieses Unternehmen tätig und trat gegenüber seinen Kunden ausschließlich allein auf; die Verkaufspreise sowie die im Einzelnen an den Fahrzeugen vorzunehmenden Manipulationen ordnete jedoch ihr Lebensgefährte an.

Das FA sieht die Klägerin als Mitgesellschafterin an und macht deshalb gegen sie die Gesellschafterhaftung nach § 128 HGB geltend. Mit ihrer dagegen erhobenen Klage ist sie erst vor dem BFH durchgedrungen.

 

Entscheidung

Der BFH hat das Klage abweisende Urteil des FG aufgehoben. Die Klägerin ist unbeschadet ihres persönlichen Interesses am Erfolg des Unternehmens und des strafrechtlichen Risikos, das sie um des Erfolgs des Unternehmens willen eingegangen ist, nicht Gesellschafterin desselben und haftet daher für dessen Steuerschulden nicht.

 

Hinweis

Wer im haftungsrechtlichen Sinn Gesellschafter einer OHG ist, beurteilt der BFH nach den zu § 15 Abs. 1 EStG von der Rechtsprechung entwickelten Maßstäben einer Mitunternehmerschaft.

Danach ist der Begriff der Mitunternehmerschaft ein offener (sog. "Typus"-)Begriff, der sich nicht durch wenige bestimmte Merkmale beschreiben lässt, die notwendigerweise vorliegen müssen oder keinesfalls vorliegen dürfen; er erfordert vielmehr die zusammenfassende Bewertung und Abwägung einer Vielzahl von Merkmalen, die mehr oder weniger stark ausgeprägt vorliegen können und bei denen eine starke Ausprägung des einen Merkmals eine schwache Ausprägung des anderen ausgleichen kann.

Nach der Besprechungsentscheidung muss jedoch in jedem Fall ein Mindestmaß an Mitunternehmerinitiative und ein Mindestmaß an Mitunternehmerrisiko gegeben sein.

Mitunternehmerinitiative verlangte mehr als Abwicklung der laufenden Geschäfte nach Direktiven eines anderen, der die wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen getroffen hat. Dabei ist belanglos, aus welchen Gründen diesem anderen solche unternehmerischen Entscheidungen überlassen werden, etwa dass dies lediglich aufgrund eines persönlichen Abhängigkeitsverhältnisses geschieht (wie im Besprechungsfall wegen der Lebensgemeinschaft zwischen Klägerin und dem bestimmenden Unternehmer).

Mitunternehmerrisiko verlangt eine gesellschaftsrechtliche Teilnahme am Erfolg oder Misserfolg des Unternehmens; eine rein tatsächliche Teilnahme, etwa aufgrund der persönlichen Beziehungen zu dem Unternehmer, reicht nicht aus. Erst recht nicht ist ein Mitunternehmerrisiko aufgrund des Risikos einer Strafverfolgung wegen der Tätigkeit für das Unternehmen herzuleiten!

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 28.10.2008 – VII R 32/07

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