Leitsatz

Es ist europarechtlich nicht geboten, einem unbeschränkt Steuerpflichtigen mit Wohnsitz im Inland Eigenheimzulage für ein Zweitobjekt im EU-Ausland zu gewähren.

 

Normenkette

§ 2 Abs. 1 S. 1 EigZulG, Art. 43 (= Art. 49 AEUV), Art. 18 (= Art. 21 AEUV), Art. 56 (= Art. 63 AEUV) EGV, Art. 267 AEUV

 

Sachverhalt

K ist als Arzt im Inland tätig. Er erwirbt ein Haus auf Kreta, für das er Eigenheimzulage und Kinderzulage beantragt, aber – wegen § 2 EigZulG – nicht erhält. Vor dem FG hat er mit unionsrechtlichen Einwänden Erfolg. Das FG lässt den Inlandsbezug außer Betracht und spricht in Anwendung des EuGH-Urteils C-152/05 Eigenheimzulage zu.

 

Entscheidung

Dem folgte der BFH aus den in den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen nicht. Er wies die Klage mangels Inlandsbezugs ab.

 

Hinweis

Gibt (oder vielmehr: gab) es Eigenheimzulage für ein Zweitobjekt auf Kreta? Mit dieser Frage von großem praktischem wie auch theoretischem Interesse musste sich der BFH in dieser Entscheidung beschäftigen.

1. Die Rechtslage ist nach deutschem Recht einigermaßen klar: K erfüllt mit seinem Zweitobjekt auf Kreta nicht die Voraussetzungen des § 2 EigZulG: Das Objekt liegt nicht im Inland.

2. Problematisch ist die Rechtslage der Union. Mit drei Aspekten musste sich der BFH beschäftigen. Neben der Frage, ob das EuGH-Urteil in der Rechtssache C-152/05 (Urteil vom 17.01.2008, Kommission gegen Deutschland, Eigenheimzulage, Slg. 2008, I-39, BFH/NV Beilage 2008, 90) auch hier einschlägig ist, steht im Mittelpunkt die Prüfung der Grundfreiheiten sowie die Rechtfertigungsebene.

3. Das EuGH-Urteil C-152/05 bildet einen Leitsatz, der hier vordergründig einschlägig zu sein scheint: Danach verstößt ein "Mitgliedstaat, der in seinen Rechtsvorschriften die Gewährung einer Eigenheimzulage an unbeschränkt ESt-Pflichtige für in einem anderen Mitgliedstaat belegene Wohnungen ausschließt, … gegen seine Verpflichtungen aus den Art. 18 EG, 39 EG und 43 EG". Ist damit auch unser Fall gelöst? Nein, so der BFH, denn die EuGH-Entscheidung betraf die Benachteiligung dreier Gruppen von Personen: (a) Staatsbedienstete mit Wohnsitz im Ausland, (b) Grenzpendler, (c) Diplomaten und EU-Beamte (s. § 1 Abs. 2 und 3 EStG). Hierzu gehört K nicht; denn er ist im Inland als Arzt tätig und besitzt ein Zweithaus auf Kreta.

4. Der BFH schließt eine Prüfung der Grundfreiheiten an. Die in Art. 49 AEUV (ex-Art. 43 EG) verbürgte Niederlassungsfreiheit ist hier nicht einschlägig, denn K plante nicht, eine Tätigkeit als Arzt in Griechenland aufzunehmen. Allerdings beschränkt die EigZul das allgemeine Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (Art. 21 AEUV, ex-Art. 18 EG) ebenso wie die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV, ex-Art. 56 EG). Natürlich nicht direkt: K konnte sein Objekt auf Kreta ja bauen und sich dort aufhalten. Aber eben indirekt: denn wenn das EigZulG Eigenheimzulage für ein Objekt auf Kreta versagt, hat das in der Lesart des EuGH abschreckende Wirkung und könnte K davon abhalten, Investitionen in Griechenland vorzunehmen und ihn stattdessen dazu bewegen, ein Objekt im Inland zu schaffen.

5. Genau dies ist allerdings der Zweck des EigZulG, und der BFH musste nun prüfen, ob dieser Normzweck der Wohnungseigentumsförderung (natürlich im Inland) ein ausreichender Grund ist, die Beeinträchtigung der Grundfreiheiten zu rechtfertigen. Es ist auch unionsrechtlich als zwingender Grund des Allgemeininteresses anerkannt, ausreichenden Wohnraum zu gewährleisten. Mit einer Zulage für im Ausland (hier auf Kreta) belegene Zweitwohnungen kann man dieses Ziel aber nicht erreichen. Anders als z.B. bei Grenzpendlern kann durch eine Zweitwohnung im Ausland der nationale Wohnungsmarkt nicht entlastet werden. Damit ist die Beschränkung der Grundfreiheiten gerechtfertigt.

6. Der BFH musste die Sache nicht nach Art. 267 AEUV dem EuGH vorlegen. Das FG als Vorinstanz (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 23.04.2009, 3 K 3441/08, Haufe-Index 2172246, EFG 2009, 1279) hatte einen wesentlichen Gesichtspunkt – nämlich die Rechtfertigungsebene – komplett übersehen und sich auf die Feststellung verengt, das Nichtgewähren von EigZul beschränke Grundfreiheiten. Indessen wäre es zum selben Ergebnis gekommen, wenn es den Rechtfertigungsgrund geprüft hätte.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 20.10.2010 – IX R 20/09

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