Leitsatz

1. Einem Steuerberater kann ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden von Zahnbehandlungskosten zur Last fallen, wenn er es unterlässt, seinen Mandanten nach solchen Aufwendungen zu fragen.

2. Die Verpflichtung nachzufragen entfällt auch nicht dadurch, dass ein Dritter Angaben und Unterlagen für den Steuerpflichtigen beibringt.

 

Normenkette

§ 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO, § 33 EStG, § 76 Abs. 1 S. 1 FGO

 

Sachverhalt

K war für 1998 bis 2000 schon bestandskräftig zur ESt veranlagt. Danach beantragte sie die Änderung der Bescheide nach § 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO, weil ihr für medizinisch notwendige Zahn- und Kieferbehandlungen Aufwendungen zwischen 19 324 DM (1998), 37 537 DM (1999) und 11 213 DM (2000) entstanden waren, die sie nun als außergewöhnliche Belastungen geltend machen wollte.

FA und FG (FG München, Urteil vom 29.11.2006, 1 K 1078/05, Haufe-Index 1699091, EFG 2007, 645) lehnten eine Änderung der Bescheide ab, weil Ks steuerlichen Berater ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden der neuen Tatsache treffe.

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte auf Grundlage seiner langjährigen Rechtsprechung die Entscheidung der Vorinstanz.

 

Hinweis

Die Entscheidung betrifft wieder einmal das u.a. in § 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO geregelte Spannungsverhältnis zwischen materiellrechtlicher Steuergerechtigkeit und formeller Bestandskraft der Steuerfestsetzung. Das Gesetz sieht dazu vor, dass neue, die Steuerfestsetzung zugunsten des Steuerpflichtigen verändernde Tatsachen nicht zu berücksichtigen sind, wenn den Steuerpflichtigen ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden der neuen Tatsachen trifft. Die Besonderheit des Streitfalls war, dass hier der Steuerpflichtige durch einen Berater vertreten war und teilweise die steuerlich relevanten Angaben und Unterlagen schon durch Dritte aufbereitet waren. Weil das Verschulden des Beraters dem Steuerpflichtigen zuzurechnen ist, konnte hier dahinstehen, ob den Steuerpflichtigen selbst ein Verschuldensvorwurf gemacht werden konnte. Denn jedenfalls der Berater hätte es besser wissen müssen.

1. Grobes Verschulden ist Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Grob fahrlässig handelt der Steuerpflichtige, wenn er die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maß und in nicht entschuldbarer Weise verletzt. Diesen allgemeinen, nicht nur für das Steuerrecht geltenden Maßstab präzisiert der BFH für die Zwecke des § 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO wie folgt: kommt der Steuerpflichtige seiner Erklärungspflicht nur unzureichend nach, indem er insbesondere unvollständige Steuererklärungen abgibt, gilt dies als grobes Verschulden. Beruht dagegen die unvollständige Steuererklärung auf einem Rechtsirrtum wegen mangelnder Kenntnis steuerrechtlicher Vorschriften, gilt dies regelmäßig nicht als grobes Verschulden. Und nimmt der Steuerpflichtige bei der Anfertigung der Steuererklärung die Hilfe eines steuerlichen Beraters in Anspruch, hat er auch dessen Verschulden bei der Anfertigung der Steuererklärung zu vertreten.

2. Übertragen auf den Streitfall kam der BFH wie schon das FG zu dem Ergebnis, dass Angehörige der steuerberatenden Berufe die Merkblätter kennen und die üblichen Vordrucke beherrschen müssten und im Bereich der außergewöhnlichen Belastungen nach entsprechenden Aufwendungen fragen müssten. Dies gilt auch, wenn Steuererhebliches durch Dritte aufbereitet ist. Auch dann ist ein Nachfragen des Beraters beim Steuerpflichtigen selbst nicht entbehrlich.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 03.12.2009 – VI R 58/07

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