9.1 Finanzgericht Sachsen-Anhalt

Sachverhalt

Die Journal(einzel)daten aller getätigten Barumsätze wurden vom Unternehmen (Apotheke) über das eingesetzte PC-Warenwirtschaftssystem erfasst. Im Streitfall war fraglich, ob für diese Einzelaufzeichnungen auch eine grundsätzliche Aufzeichnungspflicht bestand.[1]

Ausführungen des Senats:

Soweit der BFH in seinem Urteil vom 12.5.1966[2] noch davon ausgegangen ist, dass aus Gründen der Zumutbarkeit von einer Pflicht zur Einzelaufzeichnung abgesehen werden kann, ist nicht zu folgern, dass eine Einzelaufzeichnungspflicht als solche nicht gegeben ist. Eine Prüfung der Zumutbarkeit setzt schließlich eine grundsätzlich bestehende Pflicht voraus – nur auf das Bestehen der Pflicht ist abzustellen.

Die Frage der Zumutbarkeit war im Urteilsfall nicht relevant, weil die Einzeldaten ohnehin im System vorgehalten wurden. Das Gericht war der Auffassung, ein Ausnahmetatbestand im Sinne des BFH-Urteils vom 12.5.1966 liege nicht vor, es gelte daher die Pflicht zur Einzelaufzeichnung. Aufgrund der tatsächlich vorhandenen Aufzeichnungen aller Einzeldaten war es dem steuerpflichtigen Apotheker auch zumutbar diese Daten aufzubewahren und vorzulegen.

Inzwischen ist die Ausnahme von der Einzelaufzeichnungspflicht aus Zumutbarkeitsgründen gesetzlich in § 146 Abs. 1 Satz 3 AO geregelt.

Eine andere Auffassung vertrat das Hessische Finanzgericht (s. Tz. 9.2).

9.2 Hessisches Finanzgericht

Im Gegensatz zum FG Sachsen-Anhalt (Tz. 9.1) vertrat das Hessische FG die Auffassung, dass die Einzelaufzeichnung der Kassenvorgänge aus Zumutbarkeits- und Praktikabilitätsgründen nicht gilt, wenn ein Unternehmer gegen Barzahlung Waren von geringem Wert an eine unbestimmte Zahl von Kunden in einem offenen Ladengeschäft verkauft. Die Aufzeichnung der täglichen Tagessummen ist lt. Hessischem FG ausreichend.

Auch in diesem Streitfall[1] setzte der Unternehmer (Apotheke) ein PC-Warenwirtschaftssystem ein, in dem alle Einzeldaten seiner Bargeschäfte vorgehalten wurden. Ungeachtet der Frage der Zumutbarkeit war das Gericht jedoch der Auffassung, es bestehe keine grundsätzliche Einzelaufzeichnungs- und somit auch keine Vorlagepflicht.

Werden Aufzeichnungen freiwillig geführt, bestehe nach Auffassung des Senats keine Verpflichtung zur Aufbewahrung und Vorlage dieser Unterlagen.

Diese Rechtsauffassung beruht auf einer früheren Entscheidung des BFH aus dem Jahr 2009.[2] Danach zählen freiwillige, über die gesetzliche Pflicht hinausreichende Aufzeichnungen, nicht zu den dem Datenzugriff nach § 147 Abs. 6 AO unterliegenden Daten und Unterlagen.

Mit Spannung wurden die Entscheidungen des BFH erwartet:

Bis zur Veröffentlichung des Urteils im Revisionsverfahren zum Urteil des Hessischen FG und der beiden inhaltsgleichen Entscheidungen des BFH vom 16.12.2014 war nämlich strittig, ob die Finanzbehörde überhaupt Anspruch auf die Vorlage von freiwillig geführten Einzelaufzeichnungen habe.

9.3 Urteile des Bundesfinanzhofs

Die konträren Apothekenurteile aus dem Jahr 2013 führten zu höchstrichterlichen Entscheidungen des BFH.[1]

In beiden, im Wesentlichen inhaltsgleichen Urteilen, führt der BFH aus, die Frage, ob die Verpflichtung zur Einzelaufzeichnung aus Zumutbarkeitsgründen einzuschränken ist, sei in beiden Urteilsfällen zu verneinen.

Ausnahmen vom Grundsatz der Einzelaufzeichnung werden nach der historischen Entscheidung des BFH vom 12.5.1966 nur dann zugelassen, wenn es für den steuerpflichtigen Unternehmer nicht zumutbar ist, die Daten aller Verkäufe einzeln aufzuzeichnen. Das ist grundsätzlich dann der Fall, wenn Einzelhändler Waren von geringem Wert an eine Vielzahl nicht bekannter oder nicht feststellbarer Personen bar verkaufen.

Entscheidet sich der Steuerpflichtige, wie in den beiden Streitfällen, für ein modernes PC-Kassensystem, das zum einen sämtliche Kassenvorgänge einzeln und detailliert aufzeichnet (mithin insbesondere die in Geld bestehende Gegenleistung sowie den Inhalt des Geschäfts) und zum anderen auch eine langfristige Aufbewahrung (Speicherung) der getätigten Einzelaufzeichnungen ermöglicht, kommt er der ihm obliegenden Verpflichtung zur Aufzeichnung der einzelnen Verkäufe nach. Er kann sich in diesem Fall nicht (mehr) auf die Unzumutbarkeit der Aufzeichnungsverpflichtung berufen. Im Falle der Verwendung einer PC-Kasse ist die mit ihr bewirkte Einzelaufzeichnung grundsätzlich auch zumutbar.

Fazit: Der BFH hat mit seinen Urteilen vom 16.12.2014 klar entschieden, dass sich ein Unternehmer nicht auf die Unzumutbarkeit der Aufzeichnungsverpflichtung berufen kann, wenn er die Geschäftsvorfälle aus betriebswirtschaftlichen Gründen ohnehin einzeln aufzeichnet.

Wären Journalaufzeichnungen z. B. bei Verwendung einer offenen Ladenkasse bei Vorliegen aller sonstigen Voraussetzungen nicht zumutbar, so kann daraus aber nicht gefolgert werden, dass eine grundsätzliche Einzelaufze...

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