Rz. 10

Eine Kapitalgesellschaft kann von einer oder mehreren Personen gegründet werden. Sowohl bei der Aktiengesellschaft (§ 2 AktG) als auch bei der GmbH (§ 1 GmbHG) sind Ein-Personen-Gründungen zulässig.

Die SE kann dagegen nur als "abgeleitete" Gesellschaft gegründet werden: Die Gründung durch natürliche Personen als Gesellschafter der SE ist nicht möglich. In Betracht kommen bei der SE nur die Gründung durch Verschmelzung (Art. 2 Abs. 1 SE-VO), die Einbringung von Anteilen von Kapitalgesellschaften zum Zwecke der Gründung einer Holding-SE (Art. 2 Abs. 2 SE-VO), die Gründung einer gemeinsamen Tochter-SE durch (mindestens) 2 Körperschaften (Art. 2 Abs. 3 SE-VO), die Gründung durch Formwechsel einer AG (Art. 2 Abs. 4 SE-VO) sowie die Gründung einer Tochter-SE durch eine SE (Art. 3 Abs. 2 SE-VO). Zudem kann ein Mitgliedstaat vorsehen, dass eine Gesellschaft, die ihre Hauptverwaltung nicht in der Gemeinschaft hat, sich an der Gründung einer SE beteiligen kann, sofern sie nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründet wurde, ihren Sitz in diesem Mitgliedstaat hat und mit der Wirtschaft eines Mitgliedstaats in tatsächlicher und dauerhafter Verbindung steht (Art. 2 Abs. 5 SE-VO).

Die Gründung einer Kapitalgesellschaft vollzieht sich in mehreren Stufen. Die erste Stufe besteht in der Vorgründungsgesellschaft, die entsteht, wenn mehrere Personen vereinbaren, eine Kapitalgesellschaft zu gründen. Die Vorgründungsgesellschaft ist ihrer Rechtsform nach Personengesellschaft, i. d. R. BGB-Gesellschaft. Handelt es sich um die Gründung einer Ein-Mann-Kapitalgesellschaft, liegt nicht eine Vorgründungsgesellschaft, sondern ein Einzelunternehmen vor. Die Vorgründungsgesellschaft ist mit der später entstehenden Kapitalgesellschaft nicht identisch.

 

Rz. 11

Mit dem Abschluss des formgültigen Gesellschaftsvertrages (Feststellung der Satzung[1]) entsteht die Vorgesellschaft. Die Vorgesellschaft weist in ihrer Struktur wesentliche Merkmale der nachfolgenden juristischen Person auf. Sie ist eine Entwicklungsstufe der im Werden begriffenen juristischen Person und daher von der künftigen juristischen Person wesensmäßig nicht zu trennen. Sie unterliegt bereits den Vorschriften, die für die später entstehende Kapitalgesellschaft gelten, mit Ausnahme derjenigen Vorschriften, die Rechtsfähigkeit voraussetzen. Insbesondere gelten für die Vorgesellschaft die Gründungsvorschriften nach dem Aktiengesetz oder GmbH-Gesetz. Die Vorgesellschaft wird als "GmbH in Gründung" oder "AG in Gründung" bezeichnet.

 

Rz. 12

Im Rahmen des Gründungsvorganges sind die übernommenen Kapitalanteile zur freien Verfügung der Kapitalgesellschaft einzuzahlen. Die Höhe des Mindest-Nennkapitals und die erforderliche Mindesteinzahlung sind rechtsformabhängig.

 

Rz. 13

Der Gründungsvorgang wird mit der Eintragung der Kapitalgesellschaft in das Handelsregister abgeschlossen.[2] Mit der Eintragung in das Handelsregister erwirbt die Kapitalgesellschaft die Rechtsfähigkeit und wird damit zur juristischen Person.

Die Vorgesellschaft ist mit der rechtsfähigen Kapitalgesellschaft identisch. Vermögen der Vorgesellschaft ist deshalb kraft Gesetzes Eigentum der Kapitalgesellschaft, Verbindlichkeiten der Vorgesellschaft werden kraft Gesetzes Verbindlichkeiten der Kapitalgesellschaft.

 

Rz. 14

Die Kapitalgesellschaft hat auf den Beginn ihres Handelsgewerbes nach § 242 Abs. 1 HGB eine Eröffnungsbilanz aufzustellen. Zeitpunkt, auf den die Eröffnungsbilanz aufzustellen ist, ist nicht die Eintragung in das Handelsregister, da dieser Zeitpunkt von den bezüglich des Zeitablaufs zufälligen Verfahrensabläufen des Eintragungsverfahrens abhängt. Der Zeitpunkt, auf den die Eröffnungsbilanz aufzustellen ist, fällt vielmehr mit dem Zeitpunkt des Beginns der Buchführungspflicht zusammen, d. h. mit dem Zeitpunkt, in dem die Kapitalgesellschaft ihr Handelsgewerbe aufnimmt. Dies entspricht dem Wortlaut des § 242 Abs. 1 Satz 1 HGB, wonach die Eröffnungsbilanz "zu Beginn des Handelsgewerbes" aufzustellen ist.[3]

In der Praxis üblich ist die Aufstellung der Eröffnungsbilanz auf den Zeitpunkt des formgültigen Abschlusses des Gesellschaftsvertrages (Zeitpunkt der notariellen Beurkundung), also den Beginn der Vorgesellschaft (vgl. Rz. 11). Da die Vorgesellschaft mit der später entstehenden juristischen Person identisch ist, ist es gerechtfertigt, ab diesem Zeitpunkt die Vorschriften über die Rechnungslegung der Kapitalgesellschaft anzuwenden.

[3] Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1995–2001, § 242 HGB Rz. 23; Winkeljohann/Philipps, in Beck’scher Bilanz-Kommentar, 11. Aufl. 2018, § 242 HGB Rz. 3.

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