Der zunehmende Gemeinkostenanteil, der bei wachsenden Unternehmen normal ist, führt bei Anwendung traditioneller Kalkulationsverfahren zu Ungenauigkeiten, ja Fehlern, die für ein Unternehmen schwerwiegende Folgen haben können. Die Einbeziehung der Gemeinkosten über Umlageschlüssel kann dazu führen, sich selbst aus dem Markt zu kalkulieren, weil einfach zu hohe Gemeinkosten die Kalkulation belasten. Hier bietet sich die Prozesskostenrechnung als Ausweg an. Besonders interessant ist die Kalkulation mit Prozesskosten für Unternehmen, die sich in umkämpften Märkten bewegen. Hier können die Prozesskostenrechnung und die damit einhergehende Kostentransparenz dazu führen, dass Sie die Nase vorn haben.

3.4.1 Ziele der Prozesskostenrechnung

Prozesskostenrechnung bedeutet im Wesentlichen Analyse, Planung und Optimierung aller Unternehmensbereiche sowie die verursachungsgerechtere Zuordnung der indirekten Gemeinkosten auf Produkte, Aufträge, Kunden, Lieferanten u. Ä. Die Prozesskostenrechnung kann als neuer Ansatz bezeichnet werden, um

  • die Kostentransparenz, insbesondere der Gemeinkosten, zu erhöhen,
  • einen effizienten Ressourcenverbrauch sicherzustellen,
  • die Kapazitätsauslastung aufzuzeigen,
  • die Produktkalkulation zu verbessern,
  • strategische Fehlentscheidungen zu vermeiden.

Grundlage der Prozesskostenrechnung ist ein neues Verständnis für die in den Gemeinkostenbereichen erstellten Leistungen. Dies betrifft einerseits die indirekten Leistungsbereiche (z. B. Einkauf, Materialwirtschaft, Logistik, Auftragsabwicklung), andererseits die gemeinkostenintensiven direkten Bereiche, also die Leistungserstellung. Planungs-, Steuerungs- und Überwachungsaufgaben werden in Teilprozesse zerlegt und diesen werden Kosten zugeordnet. Damit ist eine Erhöhung der Transparenz in den Gemeinkostenbereichen geschaffen, die Voraussetzung für eine stellenbezogene und leistungsabhängige Kostenplanung und -kontrolle ist. Die Gemeinkosten können auf dieser Basis verursachungsgerecht in die Produktkalkulation einbezogen werden. Ziel der Prozesskostenrechnung ist, einen möglichst großen Anteil der Gemeinkosten verursachungsgerecht den Kostenträgern (Produkte, Dienstleistungen, Aufträge, Projekte) zuzuordnen.

 
Achtung

Den losgrößenabhängigen Kosten wurde in der Vergangenheit bei der Kalkulation keine oder nur geringe Bedeutung beigemessen. Ab und an wurde der Versuch gemacht, die Problematik mit Hilfe von Mindermengenzuschlägen in den Griff zu bekommen. Letztlich blieben diese Versuche aber immer halbherzig. Immer höhere Gemeinkostenanteile, die zu teilweise horrenden Zuschlagssätzen in der Kalkulation führten, haben zu einem Umdenken geführt, um mehr Transparenz und eine leistungsbezogene Verrechnung der Gemeinkosten zu erreichen.

3.4.2 Prozesskostenansatz bei unterschiedlichen Losgrößen

Halten wir uns einmal vor Augen, dass wir zwei Aufträge für ein Produkt haben:

Kunde A bestellt die Gebindegröße Karton, Kunde B eine volle Palette. Die Umlage der Gemeinkosten wird proportional bei beiden Aufträgen nach gleichem Schlüssel vorgenommen. Logischerweise wird der Auftrag über eine Palette zu hoch belastet, der Kleinauftrag zu niedrig.

Betrachten wir die Prozesskette für diese beiden Aufträge, so liegt auf der Hand, dass beide Aufträge nahezu gleiche Kosten verursachen:

  • Die Beschaffung eines Kartons verursacht die gleichen Kosten wie die Beschaffung einer Palette.
  • Für beide Aufträge muss eine komplette Auftragsbearbeitung mit Auftragsbestätigung, Lieferschein, Rechnung durchgeführt werden.
  • Der Aufwand für Auslagerung und Verpackung des Kleinauftrags ist wahrscheinlich höher als für den größeren Auftrag.
  • Für beide Aufträge ist der Aufwand der Buchhaltung gleich: Die Rechnung muss gebucht, die offenen Posten müssen nachverfolgt und die Zahlungseingänge jeweils verbucht werden.

Die Grundfragen der Prozesskostenrechnung sind:

  • Wie hoch sind die Kosten eines Beschaffungsvorganges?
  • Welche Kosten verursacht ein innerbetrieblicher Transport?
  • Welche Kosten entstehen durch Ein- und Auslagerungsvorgänge?
  • Wie viel kostet eine Auftragsabwicklung?
  • Wie viel kostet ein Rüstvorgang?
  • Welche Kosten entstehen durch zusätzliche Varianten?
  • etc.

Verursachungsprinzip greift

Durch die Prozesskostenrechnung wird dem Verursachungsprinzip größere Geltung verschafft. Die Basis für verursachungsgerechte Kostenzuordnung sind Bezugsgrößen, die einerseits die Funktion haben, Maßstab für die Kostenkontrolle in der Kostenstellenrechnung zu sein, andererseits Kostenverursachungsmaßstab in der Kostenträgerrechnung als Grundlage der Kalkulation zu sein. Bezugsgrößen haben somit eine Schlüsselfunktion für eine effektive Planung, Kontrolle und Verrechnung von Gemeinkosten. Traditionellen Kostenrechnungssystemen gelingt es nicht, diesen Anforderungen gerecht zu werden.

Prozesse als Kostentreiber

Die Prozesskostenrechnung folgt dem Grundgedanken, betriebliche Abläufe als Prozesse zu betrachten. In der deutschsprachigen Literatur wird die Prozesskostenrechnung meistens als eine Vollkostenrechnung für die indirekten Leistungsbereiche eines Unternehmens dargestellt. Es wird versucht, in diesen indirek...

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