Leitsatz

Ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Betrieb eines Versicherungsunternehmens i.S.d. Aktivitätsklausel des § 8 Abs. 1 Nr. 3 AStG a.F. kann auch gegeben sein, wenn die ausländische Tochtergesellschaft durch einen Betriebsführungsvertrag ein anderes Unternehmen mit der Ausführung des Versicherungsgeschäfts betraut hat.

 

Normenkette

§ 8 Abs. 1 Nr. 3 AStG

 

Sachverhalt

Der Kläger ist ein VVaG, der das Versicherungsgeschäft in Deutschland sowie im europäischen Ausland betreibt und zu diesem Zweck Beteiligungen an zahlreichen in- und ausländischen Tochtergesellschaften hält. Er ist Alleingesellschafter der im Jahr 1992 mit einem Gesellschaftskapital von 65 Mio. DM gegründeten Kapitalgesellschaft irischen Rechts (X-Ltd.). Die X-Ltd. gründete mit zwei ebenfalls zum Konzernverbund des Klägers gehörenden Kapitalgesellschaften (Y-Ltd. und Z-Ltd.) eine weitere Kapitalgesellschaft irischen Rechts, die XYZ-Ltd. Alle Gesellschaften waren in den irischen "Dublin Docks" ansässig, alle hatten denselben "Managing Director". Die X-Ltd., die Y-Ltd. und die Z-Ltd. schlossen jeweils einen Betriebsführungsvertrag ("management agreement") mit der XYZ-Ltd., in denen sich Letztere verpflichtete, sämtliche für die Geschäftsausübung der X-Ltd., der Y-Ltd. und der Z-Ltd. erforderlichen Tätigkeiten zu erbringen.

Die XYZ-Ltd. unterhielt in Dublin umfangreiche und voll ausgestattete Büroräume und beschäftigte mehrere Arbeitnehmer. Fünf dieser Arbeitnehmer schlossen gleichlautende Arbeitsverträge auch jeweils mit der X-Ltd., der Y-Ltd. und der Z-Ltd.

Für den Geschäftsbereich des Abschlusses von Rückversicherungsverträgen mit anderen Versicherungs- und Rückversicherungsgesellschaften im Hinblick auf Risiken außerhalb Irlands galt für die X-Ltd. der ermäßigte irische Steuersatz von 10 %. Die X-Ltd. erzielte im Bereich der Rückversicherung von Erst- und Rückversicherungsrisiken im In- und Ausland Versicherungsprämien i.H.v. ca. 251 Mio. DM und wendete zur Schadensregulierung ca. 197 Mio. DM auf. Sie hielt Finanzanlagen i.H.v. rd. 470 Mio. DM. Insbesondere aus festverzinslichen Wertpapieren erzielte sie Kapitalerträge (sog. "investment income") i.H.v. ca. 29 Mio. DM. All das bezieht sich auf das Streitjahr 1995.

Der Kläger erklärte Gewinnausschüttungen der X-Ltd. als nach DBA-Irland steuerfreie Schachteldividenden. Das FA war der Auffassung, bei der X-Ltd. handle es sich um eine Zwischengesellschaft i.S.d. §§ 7 ff. AStG.

Die dagegen gerichtete Klage hatte Erfolg (Niedersächsisches FG, Urteil vom 13.05.2009, 6 K 476/06, Haufe-Index 2209035, EFG 2009, 1721).

 

Entscheidung

Der BFH schloss sich dem FG an: Der Tatbestand des § 8 Abs. 1 Nr. 3 AStG verlange nur das Unterhalten eines für den Geschäftsbetrieb in kaufmännischer Weise eingerichteten Betriebs, mehr jedoch nicht, vor allem nicht eine eigenwirtschaftliche Teilnahme am Geschäftsverkehr. "Springe" der Tatbestand damit aber derart (zu) "kurz", könne von einer hinzurechnungsschädlichen passiven Tätigkeit nicht deswegen die Rede sein, weil der Kläger das operative Versicherungsgeschäft "outgesourct" habe.

 

Hinweis

1. Es geht um die Reichweite der sog. Hinzurechnungsbesteuerung nach §§ 7 ff. AStG.

Von dieser Besteuerung werden im Inland ansässige Steuerpflichtige getroffen, die sich in einem sog. Niedrigsteuerland – hier konkret Irland – als Gesellschafter an einer ausländischen Kapitalgesellschaft – konkret einer solchen in den "Dublin Docks" – beteiligen, welche als "Zwischengesellschaft" keine oder nur "passive" eigene Aktivität entwickelt und nicht "wirklich" am wirtschaftlichen Geschäftsverkehr teilnimmt. Für diesen Fall werden die Einkünfte der Gesellschaft den Einkünften der inländischen Gesellschafter hinzugerechnet.

2. Nur wenige Tage, nachdem am 13.10.2010 zu dieser Problematik – im Hinblick auf das Irland-Engagement eines inländischen Versicherungsunternehmens – über dessen Revision vor dem BFH (natürlich öffentlich) mündlich verhandelt worden war, ging die folgende Notiz anlässlich einer sog. ad-hoc-­Mitteilung nach § 15 WphG durch die Presse (z.B. aktiencheck.de AG):

„Hannover Rück profitiert von BFH-Urteil

Die Hannover Rückversicherung AG meldete am Mittwoch, dass der BFH heute ein Urteil zur Hinzurechnungsbesteuerung nach dem AStG bekannt gegeben hat. Den Angaben zufolge ist das BFH-Urteil – auch wenn es nicht konkret ein Unternehmen der Hannover Rück-Gruppe betrifft – für die Gesellschaft relevant. Die rechtskräftige Entscheidung des BFH führe dazu, dass vorsorglich gebildete Rückstellungen aufgelöst werden können und somit den Konzernüberschuss im dritten Quartal und im Gesamtjahr 2010 voraussichtlich in der Größenordnung von rund 100 Mio. EUR erhöhen.

Kern des Rechtsstreits war die Frage, ob die von einer in Irland ansässigen Rückversicherungs-Tochter erzielten Kapitaleinkünfte bei ihrer Muttergesellschaft in Deutschland versteuert werden müssen, weil sie ihren Geschäftsbetrieb auf eine konzerneigene Servicegesellschaft in Irland ausgelagert hatte.”

Das besagte Urteil des BFH war zu j...

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