4.4.1 Abkommensberechtigung

Die deutschen DBA regeln die Frage, für welchen Personenkreis das Abkommen anwendbar ist, regelmäßig entsprechend Artikel 1 des OECD MA. Dieser lautet: "Dieses Abkommen gilt für Personen, die in einem Vertragsstaat oder in beiden Vertragsstaaten ansässig sind".[1]

Verschiedene Kapitalgesellschaften (Holding , Kapitalanlagegesellschaften) können je nach DBA ausdrücklich von der Abkommensberechtigung ausgeschlossen sein.

Personengesellschaften sind grundsätzlich nicht abkommensberechtigt.

Nur in verschiedenen DBA wird den Personengesellschaften die Abkommensberechtigung umfassend oder partiell zuerkannt.

 
Praxis-Beispiel

Abkommensberechtigung

Sie betreuen eine deutsche Personengesellschaft, an der zu 25 % ein Spanier beteiligt ist. Diese bezieht Dividenden aus den USA. Die Quellensteuerreduktion nach Art. 10 DBA kann mangels Abkommensberechtigung des Spaniers (DBA Spanien/USA in der Praxis zu prüfen) nur den beteiligten Inländern zukommen.

[1] Zur Frage der Ansässigkeit von natürlichen und juristischen Personen s. Abschnitt 4.4.2.

4.4.2 Ansässigkeit natürlicher Personen

4.4.2.1 Allgemeines

Im Rahmen der grenzüberschreitenden Tätigkeit bzw. Einkunftserzielung stellt sich immer die Frage, ob dem Wohnsitzstaat oder dem jeweiligen Tätigkeitsstaat/Quellenstaat das Besteuerungsrecht zuzuweisen ist.

Die Ansässigkeit selbst wird im OECD-MA sowie den deutschen Abkommen nicht näher definiert, sondern nach den innerstaatlichen Kriterien des steuerlichen Wohnsitzes bestimmt. Dies sind in Deutschland für natürliche Personen die §§ 8, 9 AO und hieran anknüpfend § 1 EStG. Im ausländischen Staat bestimmt sich dies nach dem dortigen Recht.

In Deutschland ist zur Frage einer Wohnsitzbegründung oder -verlegung ausschließlich auf § 8 AO abzustellen. Melderechtliche Vorschriften oder bürgerlich-rechtliche Vorschriften zur Begründung, Beibehaltung oder Aufgabe eines Wohnsitzes sind unbeachtlich.[1] Die Rechtsprechung hat sich in den letzten Jahren häufig mit der Frage beschäftigt, ab wann bei einem geringfügigen Aufenthalt noch ein Wohnsitz vorliegt. Ein typisches Beispiel sind hierbei die sog. stand-by Entscheidungen der Finanzgerichte und des BFH. Die Grundsatzentscheidung[2] lautet hierbei:

  • Ein Steuerpflichtiger kann mehrere Wohnsitze haben. Kennzeichen einer Wohnung ist, dass es sich – im Sinne einer bescheidenen Bleibe – um Räume handelt, die zum Bewohnen geeignet sind.
  • Das für den Wohnsitz erforderliche Innehaben der Wohnung setzt voraus, dass dem Mieter die Möglichkeit zur jederzeitigen Wohnnutzung zusteht. Hieran kann es bei einer Wohngemeinschaft fehlen, wenn die geringe Wohnungsgröße kein gemeinsames Wohnen, sondern nur ein gemeinsames Übernachten gestattet
  • Das Merkmal des Innehabens einer Wohnung ist nicht allein deshalb zu verneinen, weil dem Vermieter die Nutzung der Wohnung nur in wenigen und in jeder Hinsicht vernachlässigbaren Ausnahmefällen verbleibt (Unschädlichkeitsgrenze).

4.4.2.2 Fiktion der unbeschränkten Steuerpflicht (Auswirkungen des § 1 Abs. 3 EStG)

Personen, die in der Bundesrepublik Deutschland über keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt verfügen, können auf Antrag nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt werden. Voraussetzung hierfür ist das Vorliegen beschränkt steuerpflichtiger inländischer Einkünfte im Sinne des § 49 EStG. Die "originäre" unbeschränkte Einkommensteuerpflicht, die an den Tatbestand eines Wohnsitzes anknüpft, verbleibt dabei im ausländischen Wohnsitzstaat. Für die Auslegung des Art. 4 Abs. 1 DBA sind Personen, die unter § 1 Abs. 1 oder 2 EStG fallen, unter DBA-rechtlichen Gesichtspunkten in der Bundesrepublik Deutschland ansässig. Personen hingegen, die nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt werden, können nicht nach Art. 4 Abs. 1 DBA als in der Bundesrepublik Deutschland ansässig angesehen werden. Eine Ansässigkeit besteht im tatsächlichen ausländischen Wohnsitzstaat.[1]

 
Praxis-Beispiel

Auswirkungen des § 1 Abs. 3 EStG

A, der seinen einzigen Wohnsitz in Frankreich hat und in der Bundesrepublik Deutschland weder über einen Wohnsitz verfügt, noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, ist im Inland als Arbeitnehmer außerhalb der Grenzzone tätig. Der Arbeitslohn ist in Deutschland steuerpflichtig[2]. A wird nach § 1 Abs. 3 EStG auf Antrag als in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt, da mehr als 90 % seiner Einkünfte (der Arbeitslohn) der deutschen Besteuerung unterliegen. Er erhält Dividenden i. H. v. 3.000 CHF aus der Schweiz, die i. H. v. 750 CHF mit einer Quellensteuer (sog. Verrechnungssteuer) belastet sind. Er stellt nach dem DBA Deutschland Schweiz einen Antrag auf Rückerstattung der auf die Dividenden entfallende schweizerische Verrechnungssteuer, die über 450 CHF (15 % von 3.000 CHF) hinausgeht.

Durch die Behandlung als unbeschränkt Steuerpflichtiger nach § 1 Abs. 3 EStG wird A nicht nach Art. 4 Abs. 1 DBA Schweiz in Deutschland ansässig. Da er keinen Wohnsitz in der Schweiz hat, ist er auch nicht nach Art. ...

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