6.3.1 Rückwirkung

§ 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG ist auf alle Steuerfestsetzungen anzuwenden, die noch nicht bestandskräftig sind (§ 52 Abs. 59a EStG i. d. F. JStG 2007). Hieraus ergibt sich das Problem einer echten oder sog. unechten Rückwirkung. Nach der Rechtsprechung des BFH im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes[1] ist die Verfassungsmäßigkeit der Rückwirkung ernsthaft zweifelhaft.

6.3.2 Treaty Override

Da auch insoweit die Freistellungmethode eines DBA durch den nationalen Gesetzgeber einseitig "überlagert" wird, stellt sich die Frage der Zulässigkeit dieses so genannten Treaty overrides. Die Problematik ist mit § 20 Abs. 2 AStG vergleichbar (vgl. Tz. 3.3.6 [1]).

Darüber wird der BFH zeitnah entscheiden müssen. Im Verfahren I R 49/14[2] geht es um die Frage, ob die von einer spanischen Komplementär-Kapitalgesellschaft an die deutsche Kommanditistin, einer GmbH & Co. KG (Klägerin), ausgeschütteten Dividenden, welche in Spanien einer 10 %-igen Quellensteuer unterworfen wurden, als im Inland steuerpflichtige Einnahmen in deren einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung einzubeziehen sind und unter Anrechnung der ausländischen Quellensteuer auf Ebene der Gesellschafter der Einkommensbesteuerung zu unterwerfen ist oder Teil des eigentlich steuerfreien Gewinns der Personengesellschaft ist. Mangels Besteuerung in Spanien ging das Finanzamt von der Anwendung der Rückfallklausel des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG aus. Hierbei wird der BFH vorab die vorrangige Abgrenzung von Dividenden und Unternehmensgewinnen nach dem DBA-Spanien, d. h. die Anwendung des Betriebsstättenvorbehalts prüfen müssen. Der BFH hat diese Frage allerdings offen gelassen, da nach der im Streitjahr geltenden Fassung des § 50d Abs. 9 EStG ein partieller Aufgriff – hier: der Dividenden als Teil der gewerblichen Einkünfte – nicht möglich ist (BFH, Urteil v. 21.1.2016, I R 49/14, BStBl II 2017 S. 107).[3].

 
Hinweis

Geänderte Rechtslage beachten

Die Rechtslage wurde allerdings ab 2017 durch die Einfügung eines "soweit" in § 50d EStG geändert, vgl. im Detail nachfolgend 7.2.

6.3.3 Beweislastfragen

Falls trotz Hinweis auf die erweiterten Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 AO kein Nachweis einer Besteuerung durch den Steuerpflichtigen erfolgt, stellt sich die Frage, ob in diesem Fall das Finanzamt von der beantragten Freistellung abweichen kann. Die VerwGrSPG[1] enthalten hierzu keine Aussage.

Allein die Tatsache, dass der Steuerpflichtige seinen erhöhten Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 AO nicht nachgekommen ist, reicht noch nicht für die Anwendung des § 50d Abs. 9 Nr. 1 und 2 EStG aus. Es kann nicht unterstellt werden, dass in diesen Fällen automatisch ein Qualifikationskonflikt vorliegt oder im Ausland für beschränkt Steuerpflichtige eine Steuerbefreiung gewährt wurde. Etwas anderes kann nur gelten, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass z. B. das Ausland für Lohnsteuerzwecke für dort beschäftigte AN von einer festen Einrichtung ausgegangen ist.

Das FA muss ggf. ein Auskunftsersuchen analog Art. 26 OECD-MA stellen.

Auch bei der kleinen Auskunftsklausel im DBA (z. B. DBA Schweiz) ist die Anfrage zulässig, ob eine Betriebsstätte (feste Einrichtung) im Ausland unterhalten wurde und der gewerbliche Gewinn aus der Personengesellschaft besteuert wurde.

6.3.4 Die Detailuntersuchung – dargestellt am Beispiel des Ausscheidens aus einer ungarischen KG

Die Anwendung des § 50d Abs. 9 EStG kann sich in vielfältigen Fällen stellen, wie das nachfolgende Beispiel zeigt:

 
Praxis-Beispiel

Ausscheiden der GmbH

Die A-GmbH, Stuttgart ist an der ungarischen X- Bt (= KG) beteiligt, die in einer ungarischen Betriebsstätte Waren produziert (aktive BS). Die X-Bt wird in Ungarn als KapGes behandelt. Im Jahr 01 tritt die A-GmbH aus der Bt gegen eine Ausgleichszahlungen (Abfindung) von 500.000 EUR aus.

Nach ungarischem Recht ist keine direkte Anteilsübertragung möglich, deshalb ist ein Gesellschafterwechsel nur durch Ein- und Austritt möglich. Die Abfindung ist steuerlich als Dividende anzusehen und unterliegt seit 1.1.2006 bei Steuerausländern keiner Quellensteuer von 5 v. H. mehr.

Lösung:

  • Aus deutscher Sicht liegt eine Veräußerung eines Mitunternehmeranteils vor; die anteiligen Unternehmenseinkünfte führen lt. Art. 23 Abs. 1c) DBA Ungarn zur Freistellung.
  • Da ein negativer Qualifikationskonflikt vorliegt, erfolgt eine Besteuerung nach § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG im Inland.
  • Da in Ungarn seit 1.1.2006 (nur) für beschränkt Steuerpflichtige die Quellensteuerbefreiung gilt, greift auch § 50d Abs. 9 Nr. 2 EStG (vgl. nachfolgend Tz. 7).

6.3.5 Berücksichtigung von Verlusten

Das FG München musste sich mit der Frage beschäftigen, ob im Rahmen der Rückfallklausel auch ausländische Verluste einer Betriebsstätte/Personengesellschaft bei einem Qualifikationskonflikt im Inland zu berücksichtigen sind und hat dies be...

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