Der BFH hat in 3 Entscheidungen[1] zur Frage der Korrektur von Teilwertabschreibungen an kapitalersetzende Darlehen, die ausländischen notleidenden Tochtergesellschaften gewährt wurden, den Grundsatz der Sperrwirkung der DBA herausgearbeitet. Der abkommensrechtliche Grundsatz des "dealing at arm's length" nach Art. 9 Abs. 1 OECD-MA ermöglicht eine Einkünftekorrektur nach nationalen Vorschriften der Vertragsstaaten (hier § 1 Abs. 1 AStG) nur dann, wenn der zwischen den verbundenen Unternehmen vereinbarte Preis seiner Höhe, also seiner Angemessenheit nach, dem Fremdvergleichsmaßstab nicht standhält. Er spricht damit faktisch dem deutschen Gesetzgeber die Möglichkeit ab, den Begriff des Fremdvergleichs (und damit auch der Funktionsverlagerungsregelungen) autonom im nationalen Recht des § 1 AStG zu regeln. Nach den Entscheidungen des BFH lässt sich unter den Ausdruck der "vereinbarten Bedingungen" zwar alles subsumieren, was Gegenstand der kaufmännischen und finanziellen Beziehungen und damit Gegenstand des schuldrechtlichen Leistungsaustauschs zwischen den verbundenen Unternehmen ist, so dass neben dem Preis sämtliche weiteren Geschäftsbedingungen einbezogen sein könnten. Auswirken sollen sich vor dem Grundsatz des in Art. 9 Abs. 1 OECD-MA angelegten Prüfmaßstabs aber die Bedingungen nur insofern, als deren "Qualität" die Zinshöhe im Fremdvergleich "nach oben" oder "nach unten" beeinflussen. Eine Gewinnkorrektur, die sich nicht nur auf die Angemessenheit (Höhe) des Vereinbarten erstreckt, sondern – in einem 2-stufigen Vorgehen – gleichermaßen auf dessen "Grund" (Üblichkeit der Konditionen, Ernsthaftigkeit), sei – so der BFH – den Vergleichsmaßstäben des "dealing at arm's length" als Gegenstand der Angemessenheitsprüfung fremd.

 
Hinweis

Folgen der BFH-Rechtsprechung für nationale "Sonderregelung"

In der Literatur[2] wird davon ausgegangen, dass dies weite Bereiche der nationalen "Sonderregelung" der Besteuerung von Funktionsverlagerungen nach § 1 Abs. 3 AStG betreffen kann. Die Finanzverwaltung hat hierzu den Nichtanwendungserlass vom 30.3.2016[3] herausgegeben mit der Begründung, die Auslegung der DBA durch den BFH entspreche weder dem Wortlaut der einschlägigen DBA-Vorschriften noch dem Willen der DBA-Staaten bei Abschluss des DBA. Auch eine historische und teleologische Auslegung von 1 AStG ergebe, dass er eine Einkünftekorrektur unbeschadet der jeweils anwendbaren DBA erlaube, die er im Zweifel als "treaty override" überschreibe.

Der BFH hat mit Urteil v. 27.2.2019[4] für viele überraschend seine Rechtsprechung zur sogenannten Sperrwirkung von Art. 9 Abs. 1 OECD-MA gegenüber § 1 AStG geändert. Wird die gewinnmindernde Ausbuchung eines unbesicherten Konzerndarlehens nach § 1 Abs. 1 AStG neutralisiert, ist diese Einkünftekorrektur nämlich – entgegen der bisherigen Rechtsprechung – nicht nach Art. 9 Abs. 1 OECD-MA gesperrt.

Schließlich beschäftigt sich der BFH in dem Urteil auch noch mit der EuGH-Entscheidung in der Rechtssache „Hornbach“[5] und führt im Leitsatz 4 aus: "Ob einer Korrektur nach § 1 Abs. 1 AStG der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz des Unionsrechts entgegensteht, bestimmt sich nach einer Gesamtwürdigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls. Dabei sind das wirtschaftliche Eigeninteresse und die Finanzierungsverantwortung auf der einen Seite sowie die strukturelle Nähe zur Eigenkapitalausstattung und die Änderung des Vermögens- und Liquiditätsstatus des Darlehensgebers auf der anderen Seite zu berücksichtigen". Im Entscheidungsfall kommt der BFH in einer nach seiner Ansicht gebotenen Einzelfallabwägung zum Ergebnis, dass auch das Unionsrecht die Einkünftekorrektur nach § 1 AStG nicht einschränkt.

Mit Schreiben v. 6.12.2018[6] hat das BMF zur Umsetzung der o. g. EuGH-Entscheidung[7] Stellung genommen. Die Ausführungen sind hierbei jedoch nicht auf den entschiedenen Fall der harten Patronatserklärung beschränkt, sondern gelten grundsätzlich für sämtliche Geschäftsbeziehungen und somit auch für Funktionsverlagerungen.

Hiernach hat eine Korrektur nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG in EU-/EWR-Fällen zu unterbleiben, soweit der Steuerpflichtige sachbezogene, wirtschaftliche Gründe nachweisen kann, die eine vom Fremdvergleichsgrundsatz abweichende Vereinbarung erfordern, um die sonst bedrohte wirtschaftliche Existenz der Unternehmensgruppe als solcher oder der dem Steuerpflichtigen nahestehenden Person zu sichern (sanierungsbedingte Maßnahme).

In Bezug auf Geschäftsbeziehungen zu einer nahestehenden Person in einem Staat außerhalb der EU/des EWR muss sich die Vorschrift des § 1 Abs. 1 AStG nicht an unionsrechtlichen Vorgaben messen lassen. Somit hat das hier behandelte EuGH-Urteil "Hornbach" keine Auswirkung auf Drittstaatenfälle.

Die BFH-Entscheidung wurde allerdings nicht rechtskräftig. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen das BFH-Urteil rügt die Steuerpflichtige eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 3 Abs. 1 GG, da das Urteil die steuerliche Behandlung von Konzerndarlehen im Inland anderen Grundsätzen als solchen in...

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