Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeldberechtigung eines nicht freizügigkeitsberechtigten Ausländers

 

Leitsatz (redaktionell)

Ist ein Aufenthaltstitel mit einer Nebenbestimmung versehen, die eine gültige Arbeitserlaubnis erfordert, liegen die Voraussetzungen für den Kindergeldbezug nur vor, wenn die Nebenbestimmung in Form der (erforderlichen) Genehmigung bzw. Zustimmung zur Arbeitsaufnahme erteilt wurde.

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 3, § 62 Abs. 2

 

Streitjahr(e)

2002, 2003, 2004

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 27.01.2011; Aktenzeichen III R 45/09)

 

Tatbestand

Die Klägerin ist jemenitische Staatsangehörige. Die Beteiligten streiten darum, ob ihr für ihr am 12.03.2004 geborenes Kind Kindergeld zusteht.

Am 15.04.2004 beantragte die Klägerin Kindergeld für ihr Kind S. Mit Bescheid vom 09.11.2004 wurde der Antrag abgelehnt. Nach Rechtsauffassung der Familienkasse erfüllte die Klägerin nicht die Voraussetzungen des § 62 Abs.2 Einkommensteuergesetz – EStG –, da ihr Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 69 Abs. 3 AuslG lediglich geduldet sei.

Der Einspruch hiergegen wurde mit Einspruchsentscheidung vom 11.08.2005 als unbegründet zurückgewiesen.

Hiergegen hat die Klägerin fristgemäß Klage erhoben, mit der sie ihr Ziel weiterverfolgt.

Nach Mitteilung der Ausländerbehörde des X-kreis vom 20.11.2008 besaß die Klägerin folgende Aufenthaltstitel:

07.05.1996-09.12.2002: Aufenthaltsgestattung zur Durchführung des Asylverfahrens

11.12.2002-02.03.2003 Duldung bis zum Abschluss des Asylverfahrens der Mutter

03.03.2003-20.06.2003: Aufenthaltsbefugnis nach § 31 Abs. 1 AuslG

18.06.2003-17.06.2004: Verlängerung der Aufenthaltsbefugnis nach § 31 Abs. 1 AuslG

ab 27.04.2004: Bescheinigung nach § 69 Abs. 3 AuslG (Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsbefugnis: Aufenthalt gilt für die Dauer des Verwaltungsverfahrens als erlaubt).

Die Klägerin hat mitgeteilt, dass sie bis heute im Besitz einer solchen sogenannten Fiktionsbescheinigung nach § 69 Abs.3 AuslG bzw. § 81 AufenthG sei.

Die Ausländerbehörde hat zu den Nebenbestimmungen der Aufenthaltstitel Folgendes mitgeteilt (Blatt 88 der Akten):

„Frau Y hatte zunächst folgende Auflage: „Die Arbeitsaufnahme ist nur mit gültiger Arbeitserlaubnis gestattet” bzw. ab 2005: „Eine Beschäftigung kann mit Zustimmung der Arbeitsverwaltung genehmigt werden”. Das heißt, dass sie hätte arbeiten können, wenn die Arbeitsverwaltung eine Arbeitserlaubnis ausgestellt hätte. Ob sie jemals eine Arbeitserlaubnis beantragt hat, entzieht sich meiner Kenntnis. Ab 16.10.2008 durfte sie ohne Zustimmung der Arbeitsverwaltung arbeiten. Die Auflage wurde geändert in: „Selbstständige Erwerbstätigkeit nicht erlaubt. Beschäftigung uneingeschränkt erlaubt”.

Die Klägerin leitet hieraus ab, dass ihr Kindergeld aufgrund von § 62 Abs. 2 Nr. 2, 1.Halbsatz EStG zustehe.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 09.11.2004 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 11.08.2005 aufzuheben und der Klägerin für ihre beiden am 12.03.2004 und 29.06.2005 geborenen Kinder Kindergeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren,

hilfsweise,

das Verfahren bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit des § 62 Abs. 2 EStG auf Vorlage des Finanzgerichts Köln auszusetzen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Familienkasse vertritt die Auffassung, dass allein aufgrund des Aufenthaltstitels keine Erwerbstätigkeit gestattet worden sei; diese hätte erst auf gesonderten Antrag hin erlaubt werden müssen. Daran fehle es.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Die Familienkasse hat zu Recht kein Kindergeld gewährt, da die Aufenthaltstitel der Klägerin nicht zum Bezug von Kindergeld berechtigen.

§ 62 Abs.2 EStG, der in seiner jetzigen Fassung gemäß § 52 Abs. 61a EStG auf alle noch nicht bestandskräftigen Fälle anzuwenden ist, ist verfassungsgemäß. Der Senat folgt insoweit der zu dieser Problematik nunmehr ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs –BFH– (BFH-Urteil vom 22.11.2007 III R 61/04, BFH/NV 2008, 769 m.w.N.) und nimmt auf diese auch den Beteiligten in vorliegendem Verfahren bekannte Rechtsprechung Bezug. Eine Aussetzung des Verfahrens kommt daher nicht in Betracht.

Die von der Klägerin innegehabten Aufenthaltstitel berechtigen nicht zum Bezug von Kindergeld.

Der nach § 31 Abs. 1 AuslG erteilte Titel entspricht § 32 AufenthG. Dieser Titel entspricht keinem der Titel, die in § 62 Abs. 2 Nr. 2 a-c EStG genannt sind. Auch einen anderen der dort genannten Aufenthaltstitel hatte die Klägerin nicht inne. Abzustellen ist somit auf § 62 Abs. 2 Nr. 2, 1. Halbs. EStG. Eine Niederlassungserlaubnis gem. Abs 2 Nr.1 liegt nicht vor.

Aufenthaltserlaubnisse, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigen, können sich entweder aus dem Gesetz ergeben (vgl. § 25 Abs.1, 2 §§ 28, 31, 37, 38, 38a, 104 AufenthG bzw. der entsprechenden vorhergehenden Bestimmungen des Ausländergesetzes) oder durch besondere Genehmigung der Beschäftigung durch die Ausländerbehörde (insbesondere Fälle des Familiennachzugs: §§ 30, 32, 34, 35 Abs....

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