Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewerbliche Prägung einer Personengesellschaft bei Mitbeteiligung von natürlichen Personen

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Mit dem Wertpapierportfolio wird keine originäre gewerbliche Tätigkeit i.S.v. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG ausgeübt, wenn die entfaltete Tätigkeit nicht dem Bild eines Wertpapierhandelsunternehmens bzw. eines Finanzunternehmens i.S.d. § 1 Abs. 3 KredWG entspricht.
  2. Das Tatbestandsmerkmal „persönlich haftender Gesellschafter” knüpft typisierend an die gesellschaftsrechtliche Stellung des Gesellschafters an. Individuell vereinbarte Haftung ausschlösse sind insoweit unbeachtlich.
  3. Eine gewerbliche Prägung liegt nur dann vor, wenn ausschließlich eine oder mehrere Kapitalgesellschaften persönlich haftende Gesellschafter sind.
  4. Sind an einer GbR neben der persönlich haftenden Kapitalgesellschaft zwei weitere natürliche Personen beteiligt, erfüllt diese die Voraussetzungen einer so genannten gewerblich geprägten Personengesellschaft i.S.d. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG nicht.
 

Normenkette

EStG § 15 Abs. 3 Nr. 2 S. 1, Abs. 1 S. 1 Nr. 1; KredWG § 1 Abs. 3

 

Streitjahr(e)

2002

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 22.09.2016; Aktenzeichen IV R 35/13)

 

Tatbestand

Die Klägerin und die beklagte Behörde streiten darüber, ob die im Kalenderjahr 2002 erklärten negativen Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus einem Wertpapier-Portfolio zu Recht in Einkünfte aus Kapitalvermögen umqualifiziert worden sind. Dem Rechtsstreit liegt nachfolgender Sachverhalt zu Grunde:

Die Klägerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts – im Folgenden kurz: GbR I – die mit Gesellschaftsvertrag vom .2002 errichtet worden ist. Gesellschafter der GbR sind die X-AG mit Sitz in – im Folgenden kurz: AG – sowie die Herren F, und R, . Zweck der Gesellschaft war der Aufbau, die Verwaltung, die Nutzung und die laufende Umschichtung eines Wertpapier-Portfolios. Zur Unterscheidung im Rechtsverkehr trug die GbR den Namen „GbR I”. Nach den Anlagegrundsätzen des Gesellschaftsvertrages (§  ) durften nur Wertpapiere erworben werden, deren Restlaufzeit zum Zeitpunkt des Erwerbs weniger als ein Jahr betrug. Zur Ausnutzung kurzfristiger Marktchancen durften auch Wertpapiere erworben werden, deren Restlaufzeit bis zu vier Jahre betrug. Letztgenannte Papiere waren zwingend innerhalb eines Jahres seit dem Erwerb zu veräußern.

Die AG war zur Erbringung von Einlagen nicht verpflichtet. Der Gründungsgesellschafter F leistete eine Bareinlage von ,-- EUR, der Gründungsgesellschafter R eine Bareinlage von ,-- EUR (§  Abs.  ). Die AG war am Gesellschaftsvermögen nicht beteiligt (§  ). Die Geschäfte der GbR sollten ausschließlich durch die AG geführt werden (§  Abs.  ).

In Bezug auf die Haftung der GbR wurde vereinbart, dass die AG für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft unbeschränkt haftet (§ 13 Abs. 1). Die Haftung anderer Gesellschafter für rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten sollte auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt werden. In §  Abs.  des Gesellschaftsvertrags heißt es:

„Die Haftungsbeschränkung gegenüber Dritten erfolgt gemäß §  Abs.  dieses Vertrages durch entsprechende Individualvereinbarungen, die die AG bei allen Rechtsgeschäften mit Dritten vornimmt.”

In §  Abs.  heißt es weiter:

„Die AG ist verpflichtet, eine Haftungsbegrenzung auf das Gesellschaftsvermögen für die übrigen Gesellschafter durch entsprechende Individualvereinbarungen bei allen Rechtsgeschäften mit Dritten zu vereinbaren und sicherzustellen sowie auf die Haftungsbeschränkung in geeigneter Form hinzuweisen. Ihre eigene Haftung darf die AG jedoch nicht beschränken.”

In §  Abs.  des Vertrages wurde schließlich Folgendes geregelt:

„Es dürfen nur Geschäftsbögen, Rechnungen und sonstige Schreiben der Gesellschaft verwendet werden, die in einem entsprechenden Vermerk auf die Haftungsbegrenzung der beschränkt haftenden Gesellschafter auf das Gesellschaftsvermögen hinweisen.

Die AG hat beim Abschluss eines jeden Rechtsgeschäfts für die Gesellschaft Folgendes zu vereinbaren: „Für die Verbindlichkeiten der GbR I haften das Gesellschaftsvermögen der GbR I sowie die unterzeichnende AG mit ihrem eigenen Vermögen. Eine Inanspruchnahme anderer Gesellschafter für rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten ist ausgeschlossen.”

Wegen der weiteren Einzelheiten der gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen wird auf den Vertrag vom .2002, Bl. 10 bis 19 des Sonderbands „Verträge / Anweisungen” Bezug genommen.

Nach Aktenlage wurde die AG mit notarieller Urkunde vom .1999 des Notars

(UrkR /1999) von SK, JK, AM, IK, SE und DC gegründet. Ausweislich einer Aktennotiz der Amtsbetriebsprüfungsstelle vom 2005 durfte aufgrund von gesetzlichen Bestimmungen die Steuerberatungsgesellschaft (PB) als solche bestimmte Geschäfte nicht ausführen.

Im Rahmen der Feststellungserklärung für das Kalenderjahr 2002 erklärte die GbR einen nach Maßgabe von §  Abs.  des Einkommensteuergesetzes -EStG- ermittelten Verlust für den Zeitraum .2002 bis 31.12.2002 in Höhe von

 EUR. Dieser Verlust resultiert im Wesentlichen aus der Anschaffu...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Finance Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge