Entscheidungsstichwort (Thema)

Gestaltungsmissbrauch durch Einschaltung einer GbR

 

Leitsatz (amtlich)

1. Werden die Umsätze eines Einzelunternehmers willkürlich verteilt auf sein Einzelunternehmen und eine GbR, an der er mehrheitlich beteiligt ist, mit dem Ziel, dass sowohl der Einzelunternehmer als auch die GbR jeweils die Kleinunternehmergrenzen nicht überschreiten, so liegt Gestaltungsmissbrauch vor.

2. Die Tätigkeit eines Hochzeits- und Trauerredners ist regelmäßig nicht künstlerisch.

 

Normenkette

UStG § 19 Abs. 1, § 12 Abs. 2 Nr. 7 lit. a; AO § 42

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 11.07.2018; Aktenzeichen XI R 36/17)

BFH (Urteil vom 11.07.2018; Aktenzeichen XI R 36/17)

 

Tatbestand

Strittig ist die Anwendung der Kleinunternehmerregelung nach § 19 UStG.

Die Klägerin ist als freie Theologin auf dem Gebiet der Trauerbegleitung sowie als Rednerin auf Hochzeiten und bei Taufen unternehmerisch tätig (vgl. Flyer Blatt 20, 21 der Umsatzsteuerakte).

Mit Vertrag vom 30. März 2006 gründeten die Klägerin und ihr Ehemann eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, deren Zweck die Durchführung von Hochzeitszeremonien und Trauerfeierlichkeiten ist (Gesellschaftsvertrag vom 30. März 2006, Blatt 15ff der Rechtsbehelfsakte sowie Flyer Blatt 11f der Rechtsbehelfsakte für Trauerfeiern und Blatt 13f der Rechtsbehelfsakte für Hochzeiten). Nach den Regelungen in § 4 des Gesellschaftsvertrages leisten die Gesellschafter keine Einlagen. Weiter ist darin ausgeführt, dass der Ehemann als Einlage seine Kontakte zu Bestattern, Veranstaltern und Hochzeitsplanern einbringt und sich darüber hinaus verpflichtet, für die Kontaktpflege und die Rekrutierung von neuen Kontakten Sorge zu tragen sowie im Krankheitsfall der Klägerin und bei Kunden, die ausdrücklich einen männlichen Ausführenden wünschen, die Termine wahrnehmen wird. Nach den weiteren darin getroffenen Regelungen ist der Ehemann für das BackOffice der GbR zuständig und die Klägerin wird die von ihrem Ehemann akquirierten Termine nach vorheriger zeitlicher Abstimmung wahrnehmen. Nach der Regelung in § 5 des Gesellschaftsvertrages ist die Klägerin allein zur Geschäftsführung und Vertretung berechtigt und verpflichtet. Nach der Regelung in § 17 des Gesellschaftsvertrages ist die Klägerin ausdrücklich vom Wettbewerbsverbot ausgeschlossen. Weiter ist darin ausgeführt, dass die Klägerin bereits ein Konkurrenzunternehmen als Einzelfirma betreibt und dass dies weiterhin zulässig ist, sofern die von ihrem Ehemann akquirierten Aufträge über die GbR und nicht über die Einzelfirma abgewickelt werden. Nach der Regelung in § 10 des Gesellschaftsvertrages nehmen die Klägerin zu 95 und ihr Ehemann zu 5 Teilen an Gewinn und Verlust der Gesellschaft teil.

Mit der unternehmerischen Tätigkeit erzielten die Klägerin und die GbR die im Tabellenanhang aufgeführten Umsätze.

In ihrer Umsatzsteuererklärung 2009 vom 1. Februar 2011 erklärte die GbR Umsätze zum allgemeinen Steuersatz in Höhe von 13.770 € netto. Im Veranlagungsverfahren teilte der Beklagte der GbR mit Schreiben vom 10. Juni 2011 mit, dass die GbR im Veranlagungszeitraum 2008 die Grenze zur Kleinunternehmerregelung überschritten habe. Da im Veranlagungszeitraum 2009 die Umsätze wieder unter der Grenze von 17.500 € lägen, könnten die Umsätze weiterhin aufgrund der Kleinunternehmerregelung nach § 19 UStG umsatzsteuerfrei behandelt werden. Aus der Gewinnermittlung für 2009 gehe hervor, dass die GbR die Kleinunternehmerregelung wieder in Anspruch genommen und keine Umsatzsteuer vereinnahmt habe. Aus der Umsatzsteuererklärung für 2009 gehe jedoch die Vereinnahmung der Umsatzsteuer hervor. Daher werde um Mitteilung gebeten, ob die GbR für 2009 Umsatzsteuer in Rechnung gestellt habe oder nicht. Mit Umsatzsteuerbescheid 2009 vom 6. Juli 2011 wurde die Umsatzsteuer auf 0 € festgesetzt und hierzu erläutert, da für den Veranlagungszeitraum 2009 ebenfalls die Kleinunternehmerregelung nach § 19 UStG in Anspruch genommen werde, sei die erfasste Umsatzsteuer für 2009 aufzuheben und aus technischen Gründen eine Nullfestsetzung vorgenommen worden. Mit Schreiben vom 2. April 2013 teilte der Beklagte der GbR mit, dass im Veranlagungszeitraum 2010 die Umsätze die Grenzen der Kleinunternehmerregelung überschritten hätten und die GbR seit dem Veranlagungszeitraum 2011 zur Umsatzsteuer verpflichtet sei. In ihrer Umsatzsteuererklärung 2011 vom 27. April 2013 erklärte die GbR Umsätze zum allgemeinen Steuersatz in Höhe von 10.378 € netto.

In ihrer Umsatzsteuererklärung 2010 vom 27. April 2013 erklärte die Klägerin Umsätze zum allgemeinen Steuersatz in Höhe von 14.537 € netto. In ihrer Umsatzsteuererklärung 2011 vom 27. April 2013 beantragte die Klägerin die Anwendung der Kleinunternehmerregelung.

Mit Umsatzsteuerbescheid 2011 vom 22. Mai 2013 setzte der Beklagte gegenüber der Klägerin Umsatzsteuer ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von 49.050 € fest und erläuterte hierzu, dass die Umsätze zum allgemeinen Steuersatz anhand der Anlage EÜR für 2011 geschätzt seien, da die Kleinunternehm...

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