Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuerliche Behandlung von Abschlägen gemäß § 1 Arzneimittelrabattgesetz

 

Leitsatz (amtlich)

Abschläge gemäß § 1 AMRabG mindern das Entgelt i.S.d. §§ 10, 17 UStG.

 

Normenkette

MwStSystRL Art. 73; UStG § 10 Abs. 1, § 17; AMRabG § 1 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 08.02.2018; Aktenzeichen V R 42/15)

BFH (Beschluss vom 22.06.2016; Aktenzeichen V R 42/15)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob gesetzlich vorgeschriebene Rabatte der Pharmaunternehmen nach § 1 S. 1 des Gesetzes über Rabatte für Arzneimittel (AMRabG) gegenüber privaten Krankenversicherungen und Trägern der Beihilfe und Heilfürsorge die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage mindern.

Die Klägerin ist Herstellerin und Vertreiberin pharmazeutischer Produkte und als solche unternehmerisch tätig.

Die Umsatzsteuerjahreserklärung 2011 ging am 21. November 2012 beim zuständigen Finanzamt ein. Sie stand einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich. In einem Anschreiben informierte die Klägerin das Finanzamt, dass in den erklärten Lieferungen und sonstigen Leistungen Entgeltminderungen für Rabatte an private Krankenversicherungen gemäß § 1 des Gesetzes über Rabatte für Arzneimittel (AMRabG) enthalten seien (Bl. 5 d. Umsatzsteuerakte). Es handele sich hierbei um einen Bruttobetrag in Höhe von 3.804.828,54 Euro, d.h. netto 3.197.334,91 Euro zzgl. 607.493,63 Euro Umsatzsteuer.

Dieser Vorgehensweise erfolgte vor folgendem gesetzlichen Hintergrund:

Nach § 130a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) erhalten die gesetzlichen Krankenkassen von Apotheken für zu ihren Lasten abgegebene Arzneimittel einen Abschlag vom Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmens. Pharmazeutische Unternehmen sind verpflichtet, den Apotheken oder ihren Zwischenhändlern diesen Abschlag zu erstatten.

Während bis Ende 2010 die Abschläge nur gegenüber den gesetzlichen Krankenversicherungen gesetzlich vorgeschrieben waren, haben seit 1. Januar 2011 nach § 1 des Gesetzes über Rabatte für Arzneimittel (AMRabG) pharmazeutische Unternehmen nunmehr auch den Unternehmen der privaten Krankenversicherung und Heilfürsorge für verschreibungspflichtige Arzneimittel, deren Kosten diese ganz oder teilweise erstatten, nach dem Anteil der Kostentragung Abschläge entsprechend § 130a Abs. 1, 1a, 2, 3, 3a und 3b SGB V zu gewähren. Die privaten Krankenversicherungen machen die Rabatte über die "Zentrale Stelle zur Abrechnung von Arzneimittelrabatten - ZESAR" gegenüber den Herstellern geltend. Für Selbstzahler bzw. für Privatversicherte, die ihre Arzneimittelrechnung nicht bei der privaten Krankenkasse einreichen, ist der normale Apothekenverkaufspreis ohne Abschlag maßgeblich.

Im Rahmen einer bei der Klägerin für den Zeitraum Januar 2011 bis September 2012 anberaumten Umsatzsteuersonderprüfung ergab sich, dass die über die Zentrale Abrechnungsstelle -ZESAR - bei der Klägerin im Streitjahr in Höhe von 3.804.828,54 Euro angeforderten und ausgezahlten Rabatte nur Umsätze zum Regelsteuersatz betrafen. Die von der Klägerin in ihrer Steuererklärung vorgenommene Entgeltminderung wurde von der Prüferin unter Verweis auf das BMF Schreiben vom 14.11.2012 (BStBl. I 2012, 1170) nicht anerkannt.

Das Finanzamt erließ in der Folge am 8. Februar 2013 einen nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) geänderten Umsatzsteuerbescheid, in dem es die Umsätze zum Regelsteuersatz um 3.197.334,91 Euro erhöhte (Bl. 11 d. USt-Akte).

Hiergegen legte die Klägerin am 8. März 2013 Einspruch ein (Bl. 1 d. Rb-Akte). In ihren Schriftsätzen vom 10. Juli 2013 (Bl. 23 ff. d. Rb-Akte) und vom 20. Dezember 2013 (Bl. 51 ff. d. Rb-Akte) wandte sie sich gegen die Nichtanerkennung der gegenüber den privaten Krankenversicherungen gewährten Rabatten als Entgeltminderung und trug im Wesentlichen vor:

Die Minderung der Bemessungsgrundlage setze nicht einen Rabatt innerhalb der Leistungskette voraus. Nach § 10 Abs. 1 S. 2 Umsatzsteuergesetz (UStG) gehöre zum Entgelt alles, was der Leistungsempfänger aufwende, um die Leistung zu erhalten. Der vorrangige Art. 73 MwStSystRL, auf dem § 10 UStG basiere, definiere hingegen den Begriff der Gegenleistung von der Seite des Leistenden. Danach umfasse die Bemessungsgrundlage alles, was der Leistende für den Umsatz erhalte.

Ungeachtet dessen stünde die private Krankenversicherung in der Leistungskette, da sie selbst und nicht der Versicherte wirtschaftlich mit dem Arzneimittelpreis belastet sei. Der Rabatt sei von der Klägerin nur zu gewähren, wenn die private Krankenversicherung dem Versicherten die Kosten für die Arzneimittel erstatte. Die Rabattgewährung an die private Krankenversicherung und die Belastung der privaten Krankenversicherung mit den Kosten des Endverbrauchs seien damit zwingend und untrennbar miteinander verknüpft.

Zudem verstoße die Auffassung des Finanzamts gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Grundgesetz (GG). Die Sachverhalte der Rabattgewährung an die private Krankenversicherung und an die gesetzliche Krankenversicherung seien nahezu identisch. Wirtschaftli...

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