Entscheidungsstichwort (Thema)

Erkennbarkeit i.S.d. § 174 Abs. 4 Satz 4 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 AO

 

Leitsatz (amtlich)

Im Fall der Durchführung einer Außenprüfung reicht es für die Frage der Erkennbarkeit i.S.d. § 174 Abs. 4 Satz 4 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 AO aus, dass sich - für den Steuerpflichtigen erkennbar - der Prüfer vor Ablauf der Festsetzungsfrist bereits endgültig festgelegt hat und der Steuerpflichtige damit rechnen muss, dass der für die Veranlagung zuständige Sachbearbeiter den Feststellungen des Prüfers folgen wird. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der zuständige Sachbearbeiter den Feststellungen des Prüfers später tatsächlich folgt.

 

Normenkette

AO § 174 Abs. 4 S. 4, Abs. 3 S. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 15.01.2009; Aktenzeichen III R 81/07)

BFH (Urteil vom 15.01.2009; Aktenzeichen III R 81/07)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darum, ob der Beklagte den Einkommensteuerbescheid (ESt-Bescheid) für das Streitjahr 1993 im Jahr 1999 noch ändern durfte.

Der 1953 geborene Kläger ist Betriebswirt und wurde im Streitjahr 1993 gemäß § 26b EStG gemeinsam mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer veranlagt (ESt-Bescheid 1993 vom 6.4.1994, Bl. 14 f. EStA 1993). Er bezog als Gesellschafter-Geschäftsführer der Baubetreuungs-GmbH (B GmbH) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus dem Vertrieb von konservierten Pflanzen. Zudem war er an der Grundstücksgemeinschaft W/E beteiligt, deren Einkünfte gesondert und einheitlich festgestellt wurden. Er und Herr E, ein Architekt, waren zu jeweils 50 % an der B GmbH beteiligt.

In den Jahren ab 1991 tätigte der Kläger - zum Teil als Beteiligter der Grundstücksgemeinschaft W/E - mehrere Grundstücksgeschäfte. Hinsichtlich dieser Geschäfte wird auf die Feststellungen in dem zwischen den Parteien ergangenen Urteil betreffend des Gewerbesteuermessbetragsbescheids 1993 - 3 K 2843/01 - vom 22.9.2004 (nachgehend: BFH, Urteil vom 20.4.2006 III R 1/06) Bezug genommen.

Im August 1998 ordnete der Beklagte für die Jahre 1994-1996 bei dem Kläger zur Überprüfung der steuerlichen Behandlung der Grundstücksgeschäfte gemäß § 193 AO eine Außenprüfung (AP) an; im September 1998 erteilte er dem Prüfer gemäß § 88 AO ferner den Ermittlungsauftrag, auch “für die Jahre 1993 und 1997 die erforderlichen Feststellungen“ zu ermitteln (Bl. 1, 3 ff. Betriebsprüfungs-Akten -BP-Akten-).

Der Prüfer kam bei seiner Prüfung zu dem Ergebnis, dass bestimmte vom Kläger getätigte Grundstücksverkäufe die Voraussetzungen eines gewerblichen Grundstückshandels erfüllen und der im Rahmen der Grundstücksgemeinschaft W/E erfolgte Verkauf des Grundstücks „H“ als erstes Objekt des Klägers i.S.d. 3-Objekt-Grenze zu erfassen sei. Den aus der Veräußerung dieses Grundstücks erzielten Gewinn ermittelte er mit 351.800 DM (Berechnung Bl. 20 BP-Akten) und ordnete ihn - entsprechend dem im Kaufvertrag vom 7.12.1993 vereinbarten Zeitpunkt des Übergangs von Besitz, Nutzungen und Lasten mit Kaufpreiszahlung bei Fälligkeit und Zahlbarkeit am 1.1.1994 (Kaufvertrag Bl. 16 ff. AP-Akten II) - dem Veranlagungszeitraum 1994 zu (vgl. BP-Bericht vom 20.1.1999, Bl. 16 ff., 19 f. BP-Akten). Diese Ergebnisse hatte er zuvor in einem Schreiben vom 28.9.1998 (Bl. 5 ff. BP-Akten) bereits Herrn R (C Steuerberatungsgesellschaft mbH -C GmbH-) mitgeteilt, der den Kläger (auch) seinerzeit gegenüber dem Beklagten vertreten hatte und der auch an den Schlussbesprechungen am 13.10.1998 und am 18.1.1999 teilgenommen hatte (vgl. Bl. 25 BP-Akten). Der BP-Bericht selbst war dem Beklagten am 26.3.1999 und dem Kläger und der C GmbH am 6. bzw. 7.4.1999 übersandt worden (vgl. Bl. 14, 28 f. BP-Akten).

Den Feststellungen des Prüfers folgend erließ der Beklagte unter dem 21.6.1999 u.a. einen auf § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO gestützten ESt-Änderungsbescheid für 1994, in dem er den Veräußerungsgewinn i.H.v. 351.800 DM erfasste (Bl. 37 EStA 1994). Hiergegen legte der Kläger rechtzeitig Einspruch ein und trug u.a. vor, dass das Grundstück H nicht erst 1994, sondern bereits 1993 veräußert worden sei, da der Kaufpreis, von dessen Zahlung der Übergang von Nutzungen und Lasten abhängig gewesen sei, noch in 1993 gezahlt worden sei, wie sich aus beiliegendem Kontoauszug (Bl. 4 Sonderakten „Einsprüche“ SA-) ergebe; dementsprechend sei die Aktivierung des Grundstücks bei der Erwerberin, der B GmbH, auch bereits in 1993 erfolgt. Zum 31.12.1998 sei Festsetzungsverjährung eingetreten (Bl. 1 ff. SA).

Nachdem der Beklagte darauf hingewiesen hatte, dass er beabsichtige, den ESt-Bescheid 1993 nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO, hilfsweise nach § 174 Abs. 3 i.V.m. § 174 Abs. 4 AO zu ändern (Bl. 26 SA), führte der Kläger weiter aus (Bl. 28 ff. SA):

§ 175 Abs. 1 Nr. 2 AO scheide als Änderungsvorschrift aus, da es sich bei der Feststellung eines gewerblichen Grundstückshandels durch spätere Grundstücksverkäufe gerade nicht um ein rückwirkendes Ereignis handele. § 174 AO komme nicht in Betracht, da diese Vorschrift darauf abziele, dass es für den Steuerpflichtigen erkennbar gewesen se...

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