Entscheidungsstichwort (Thema)

fehlende Einkunftserzielungsabsicht eines Arztes in der Schlussphase der Tätigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

Läuft eine jahrzehntelang mit Gewinnerzielungsabsicht betriebene Tätigkeit als Arzt allmählich aus, kommt es auf einen insgesamt erzielten Totalgewinn nicht an. Vielmehr ist für die Frage, ob aufgrund der betrieblichen Organisation in der Schlussphase objektiv noch ein Gesamtgewinn zu erzielen ist, nur auf den Zeitraum des Auslaufenlassens abzustellen.

 

Normenkette

EStG § 15 Abs. 2 Sätze 1-3, § 18 Abs. 4, 4 S. 2, § 15 Abs. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 26.02.2004; Aktenzeichen IV R 43/02)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger (Kl.) seine freiberufliche ärztliche Tätigkeit auch in deren Schlussphase noch mit Einkunftserzielungsabsicht ausgeübt hat.

Der am 03.11.1914 geborene Kl. war von 1964 bis 1998 als niedergelassener Arzt in H. tätig. Das Gebäude, in dem sich die Praxis befand, stand im jeweils hälftigen Miteigentum der Kl. Von der Gesamtfläche entfielen 40% auf die Praxis, der Rest auf die Wohnung der Kl.

Die am 20.04.1921 geborene Ehefrau des Kl., die Klägerin (Klin.), arbeitete seit Beginn in der Praxis mit. Ab dem 01.12.1966 war auch die gemeinsame Tochter der Kl. (geb. 10.09.1947) in der Praxis tätig.

Seit 1991 erzielte der Kl. in allen Jahren Verluste aus seiner Tätigkeit, die er durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermittelte: Während die Einnahmen in diesem Zeitraum kontinuierlich von ca. 77.000 DM im Jahre 1991 auf durchschnittlich 16.000 DM in den Streitjahren zurückgingen, wiesen die Ausgaben nur einen leichten Rückgang von ca. 84.000 DM im Jahr 1991 auf durchschnittlich 70.000 DM in den Streitjahren auf.

Die Personalkosten sind in den Jahren seit 1991 unverändert bei ca. 43.000 DM geblieben. Seit 1991 waren als Arbeitnehmer nur noch die Klin. und die Tochter der Kl. tätig. Die Klin. war im Rahmen eines geringfügig entlohnten Beschäftigungsverhältnisses (Jahresarbeitslohn ca. 6.000 DM) mit dem Geldverkehr sowie mit Reinigungsarbeiten befasst. Die Tochter bezog als Arzthelferin ein Bruttogehalt von ca. 2.000 DM monatlich. Nur in den Jahren 1991 bis 1993 waren noch zusätzliche Aushilfslöhne für Reinigungskräfte i.H.v. jeweils rund 4.000 DM angefallen.

Im Einzelnen nahmen Einnahmen und Ausgaben die folgende Entwicklung:

Einnahmen

Ausgaben

davon Personalkosten

Verlust

1991

76.892,00 DM

84.553,00 DM

43.892,00 DM

7.661,66 DM

1992

74.562,00 DM

93.132,00 DM

44.255,00 DM

18.569,47 DM

1993

61.455,00 DM

100.404,00 DM

45.812,00 DM

38.949,97 DM

1994

46.720,00 DM

80.730,00 DM

42.534,00 DM

34.009,40 DM

1995

40.098,00 DM

78.564,00 DM

42.344,00 DM

38.466,62 DM

1996

34.242,00 DM

81.846,00 DM

42.372,00 DM

47.603,12 DM

1997

(Streitjahr)

15.282,00 DM

71.629,00 DM

43.796,00 DM

56.348,20 DM

1998

(Streitjahr)

17.360,00 DM

67.597,00 DM

43.216,36 DM

50.236,74 DM

1999 (nur nachträgl. Einnahmen/Ausgaben

7.836,00 DM

16.561,00 DM

10.325,00 DM

8.724,00 DM

Ausweislich des Praxisschildes war die Praxis täglich von 9 bis 11 Uhr sowie nach Vereinbarung geöffnet. Der Kl. behandelte in den Streitjahren zwischen 31 und 50 Patienten pro Quartal. Bereits im Jahre 1982 hatte der Kl. einen Schlaganfall erlitten, war seither gesundheitlich beeinträchtigt und musste von seiner Tochter zu auswärtigen Terminen gefahren werden.

Zum 31.12.1998 – im Alter von 84 Jahren – stellte der Kl. den Praxisbetrieb ein. Gleichzeitig schied die Klin. – im Alter von 77 Jahren – als Arbeitnehmerin aus. Die Tochter wurde erst zum 31.03.1999 entlassen, da sie noch Abwicklungsarbeiten durchführte. Zum 01.04.1999 wurde die Tochter von der Klin. angestellt und mit Hauswirtschaftsaufgaben betraut. In den verbleibenden neun Monaten des Jahres 1999 bezog sie ein Gehalt von 19.242 DM.

Zwischen den Beteiligten ist mittlerweile unstreitig, dass ein etwaiger Aufgabegewinn den Freibetrag nach § 16 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) jedenfalls nicht übersteigen würde. Auch die Höhe der Betriebsausgaben ist unstreitig.

Für die Jahre 1991 bis 1996 legte der Beklagte (Bekl.) die vom Kl. erklärten Verluste den Einkommensteuer-(ESt-)Festsetzungen ohne Beanstandungen zugrunde. Im Rahmen der ESt-Veranlagung 1997 bat der Bekl. um die Vorlage der Arbeitsverträge, um einen Nachweis der Lohnzahlungen und um Mitteilung, mit welchen Aufgaben das Personal in den Streitjahren noch befasst gewesen sei. Der Kl. erwiderte, er sehe keine Veranlassung, auf den Fragenkatalog einzugehen.

Mit Bescheid vom 04.10.1999 setzte der Bekl. die ESt für 1997 auf 11.422 DM fest, ohne die geltend gemachten Verluste zu berücksichtigen. Gleichzeitig ergingen Vorauszahlungsbescheide für die Jahre ab 1998.

In ihren Einsprüchen gegen den Steuerbescheid und die Vorauszahlungsbescheide vertraten die Kl. die Auffassung, es stelle einen Grundrechtseingriff dar, wenn die Behandlung älter gewordener Patienten durch einen schwächer werdenden Arzt der Privatsphäre zugeordnet werde. Die zum 31.12.1998 erfolgte Praxisaufgabe sei eine angemessene und rechtzeitige Reaktion auf die Verluste ...

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