Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsatz der Einheitlichkeit der Entschädigung bei Vereinbarung einer „Abfindung” und eines „Nachteilsausgleiches” zur Beendigung eines Anstellungsverhältnisses

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Wenn in einer Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses mehrere in sachlicher und / oder zeitlicher Hinsicht unterschiedliche Entschädigungsleistungen für künftig entgehende Einnahmen zugesagt werden, sind diese grundsätzlich einheitlich zu beurteilen sind (Anschluss an die BFH-Rspr. zum sog. Grundsatz der Einheitlichkeit der Entschädigung). Zur Entschädigung für entgehende Einnahmen gehören demnach sämtliche Leistungen, zu denen sich der (frühere) Arbeitgeber im Aufhebungsvertrag verpflichtet hat, soweit sie nicht Erfüllung des bisherigen Arbeitsvertrages sind; insoweit besteht steuerrechtlich keine Bindung an die Wortwahl in einer von Arbeitgeber und Arbeitnehmer geschlossenen Vereinbarung.

2. Ein in Höhe eines konkreten zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs des Arbeitnehmers geleisteter Schadensausgleich durch den Arbeitgeber führt, sofern er sich innerhalb eines zivilrechtlichen Schadensersatzanspruches des Arbeitnehmers hält, nicht zu einem Lohnzufluss.

3. Werden in einer „Abwicklungsvereinbarung sämtlicher Ansprüche aus dem Anstellungsverhältnis” eine „Abfindung” sowie zusätzlich ein „Nachteilsausgleich” vereinbart, so ist von einer einheitlichen steuerpflichtigen Abfindung und nicht etwa von einem teilweise „Nachteilsausgleich”) nicht steuerbaren Schadensersatz auszugehen, wenn u. a. konkret bezifferte zivilrechtliche Schadenersatzansprüche des Arbeitnehmers gegen die Arbeitgeberin oder deren Muttergesellschaft in der Vereinbarung an keiner Stelle angesprochen und auch im Übrigen nicht vorgetragen oder beziffert sind, wenn ferner ein Schadensersatzanspruch in der Vereinbarung vom Arbeitgeber auch ausdrücklich nicht anerkannt wird, wenn die Auszahlung der „Abfindung” bzw. des „Nachteilsausgleichs” an identische Voraussetzungen geknüpft werden und wenn schließlich sowohl die „Abfindung” als auch der „Nachteilsausgleich” in einem engen Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses stehen.

 

Normenkette

EStG § 24 Nr. 1 Buchst. a, § 34 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 2, § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 22 Nr. 3

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 11.07.2017; Aktenzeichen IX R 28/16)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten um die Steuerpflicht einer Zahlung des ehemaligen Arbeitgebers des Klägers im Zusammenhang mit dem Verlust des Arbeitsplatzes.

Die Kläger sind Ehegatten und werden beim beklagten Finanzamt Dachau (Finanzamt – FA –) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Der Kläger ist Diplom-Ingenieur der Nachrichtentechnik. Er war von 1987 bis Mitte 2007 bei der Firma X GmbH (GmbH) mit Sitz in M. beschäftigt, zuletzt als „Executive Director of Sales and Marketing for EMEA”. Er war Prokurist und Betriebsleiter in Deutschland, seine Zuständigkeit erstreckte sich auch auf Europa, den Mittleren Osten und Afrika. Die X GmbH ist eine 100%-Tochter der X (LLC) mit Sitz in den USA.

Das Arbeitsverhältnis des Klägers wurde am 29. Juni 2007 sowohl von der GmbH, als auch von der LLC außerordentlich sowie ordentlich gekündigt. Der Kläger setzte sich gegen die Kündigungen der LLC sowie die außerordentliche Kündigung der GmbH erfolgreich gerichtlich zur Wehr.

Im weiteren Verlauf schloss der Kläger mit der X GmbH eine am 7. bzw. 12. Dezember 2009 unterzeichnete „Abwicklungsvereinbarung” (im Folgenden: Vereinbarung). Darin ist unter anderem Folgendes bestimmt:

„[…]

§ 1

Beendigung

Das zwischen der Gesellschaft und dem Mitarbeiter bestehende Anstellungsverhältnis hat durch betriebsbedingte Kündigung der Gesellschaft zum 29. Februar 2008 geendet (das „Beendigungsdatum”). Der Mitarbeiter wird gegen diese Beendigung nicht weiter rechtlich vorgehen und die hiergegen vor dem Arbeitsgericht M. erhobene Klage […] sowie weitere gegen die Gesellschaft erhobene Klagen unverzüglich zurücknehmen, insbesondere die beiden Klagen vor dem Arbeitsgericht mit den Az. […].

§ 2

[…]

§ 3

Abfindung

Als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes verpflichtet sich die Gesellschaft dem Mitarbeiter eine Abfindung in Höhe von EUR … (…Euro) brutto zu zahlen. Der nach Abzug der anfallenden Abgaben verbleibende Nettobetrag wird dem Mitarbeiter ausbezahlt zwei Wochen, nachdem – kumulativ – (i) die Gesellschaft eine schriftliche und vom Mitarbeiter unterzeichnete Erklärung erhalten hat, dass er sämtliche gegen die Gesellschaft, die X LLC oder mit dieser verbundene Gesellschaften erhobene Klagen zurückgenommen hat (bezüglich der Klagen gegen die Gesellschaft mitsamt Kopien der Rücknahmeschriftsätze), (ii) die Gesellschaft eine schriftliche und vom Mitarbeiter unterzeichnete Erklärung erhalten hat, dass er keine U.S.-amerikanischen Behörden über den Inhalt seiner rechtlichen Auseinandersetzungen mit der Gesellschaf...

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