rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Rücknahme einer verbindlichen Auskunft

 

Leitsatz (redaktionell)

Nach § 130 Abs. 1 AO kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt (im Streitfall eine verbindliche Auskunft), auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden.

 

Normenkette

AO § 130 Abs. 1, § 89 Abs. 2; UStG § 4 Nr. 9a

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob das Finanzamt zu Recht eine verbindliche Auskunft widerrufen hat.

Die Kläger erwarben am 30. April 2007 von der Gemeinde G ein Grundstück zu einem Kaufpreis von 98.292,28 EUR und verpflichteten sich dabei, dieses zeitnah mit einem Reihen- bzw. Doppelhaus in Ultraniedrigenergiebauweise in so genannter Holzrahmenbauweise zu bebauen. Am 24. Juli 2008 schlossen die Kläger mit der Firma N GmbH einen Rohbauvertrag über die Errichtung eines Naturholzhauses zu einer „Pauschalsumme von 143.888,04 EUR (brutto, inkl. gesetzlicher Mehrwertsteuer)”. Mit Schreiben vom 8. September 2008 beantragten sie beim Finanzamt die Erteilung einer verbindlichen Auskunft mit dem Inhalt: „Diejenigen Bauleistungen, welche die Eheleute zum Bau des Gebäudes auf dem Grundstück beziehen, unterliegen der Umsatzsteuerfreiheit aus § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG”.

Nachdem das Finanzamt den Antrag zunächst am 13. Oktober 2008 abgelehnt hatte, erteilte es auf den Einspruch der Kläger am 31. Oktober 2008 folgende verbindliche Auskunft:

„Umsätze, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen, sind nach § 4 Nr. 9a UStG steuerfrei. Da im vorliegenden Fall der Preis für das Grundstück und der Preis für die Bauleistungen in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer einbezogen wurden, sind die Bauleistungen, welche die Eheleute zum Bau des Grundstücks beziehen, umsatzsteuerfrei.”

Das für den bauleistenden Unternehmer zuständige Finanzamt stellte im Rahmen der Besteuerung fest, dass dessen Lieferungen und Leistungen an die Kläger nicht unter die Befreiung des § 4 Nr. 9a Umsatzsteuergesetz in der für das Streitjahr maßgebenden Fassung (UStG) fallen, sondern mit dem Regelsatz der Umsatzsteuer zu unterwerfen seien.

Mit einem als „Widerruf” der verbindlichen Auskunft vom 31. Oktober 2008 bezeichneten Bescheid vom 30. April 2009 nahm das beklagte Finanzamt die Auskunft zunächst mit der Begründung zurück, es sei wegen örtlicher Unzuständigkeit nicht befugt gewesen, die verbindliche Auskunft zu erteilen. Daher habe die Auskunft von vornherein keine Bindungswirkung entfaltet. Der hiergegen eingelegte Einspruch der Kläger blieb erfolglos (vgl. Einspruchsentscheidung vom 16. Oktober 2009).

Mit Urteil vom 16. September 2010 (14 K 3417/09) hob das Finanzgericht München den Bescheid vom 30. April 2009 und die Einspruchsentscheidung vom 16. Oktober 2009 auf, weil das FA die nach § 130 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) erforderliche Ermessensentscheidung nicht getroffen habe.

Mit Urteil vom 16. Dezember 2011 wies das Landgericht die Klage der Firma N GmbH gegen die Kläger auf Zahlung der in dem Bauträgervertrag ausgewiesenen Mehrwertsteuer ab, da insoweit weder ein vertraglicher noch ein gesetzlicher Anspruch bestehe. Da die von der Firma N GmbH erbrachte Bauleistung bereits durch die Grunderwerbsteuer besteuert worden sei, unterliege sie keiner weiteren Besteuerung durch die Mehrwertsteuer. Über die gegen das Urteil eingelegte Berufung hat das Oberlandesgericht nach Aktenlage bisher noch nicht entschieden.

Mit Verfügung vom 6. Dezember 2010 nahm das FA die verbindliche Auskunft vom 31. Oktober 2008 mit Wirkung ab dem Tag ihrer Bekanntgabe nach § 130 Abs. 1 AO erneut zurück. Der dagegen eingelegte Einspruch wurde mit Entscheidung vom 16. September 2011 als unbegründet zurückgewiesen.

Mit ihrer nunmehr erhobenen Klage machen die Kläger im Wesentlichen geltend, dass die Rücknahme der verbindlichen Auskunft rechtswidrig sei, weil die Vorschrift des § 130 Abs. 1 AO nicht anwendbar sei. Bei der Erteilung der Auskunft handle es sich um einen rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt, der nicht nach § 130 Abs. 1 AO, sondern nur unter den Voraussetzungen des § 130 Abs. 2 AO zurückgenommen werden könne. Nach § 2 Absatz 1 Satz 1 der Verordnung zur Durchführung von § 89 Abs. 2 der Abgabenordnung (StAusKV) vom 30. November 2007 (BStBl. 2007, 820) binde die verbindliche Auskunft aus sich heraus als Verwaltungsakt. Allein durch die behördliche Erklärung, sich für die Zukunft binden zu wollen, trete bereits eine Begünstigung ein. Auch nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) stelle die verbindliche Auskunft einen begünstigenden Verwaltungsakt dar, unabhängig davon, ob die Auskunft der Rechtsauffassung des Steuerpflichtigen entspreche oder nicht.

Auch aufgrund des Umstands, dass das Bauunternehmen die Kläger auf Leistung der Umsatzsteuer auf den Werklohn vor dem Landgericht in Anspruch genommen habe, könne nicht davon ausgegangen werden, dass eine Rücknahme der verbindlichen Ausk...

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