Entscheidungsstichwort (Thema)

Klagebefugnis des stillen Gesellschafters;. Schätzung des Gewinns bei fehlender Ordnungsmäßigkeit der Buchführung;. formeller Bilanzenzusammenhang;. Erfolgswirksame Nachbuchung von Verbindlichkeiten aus den Vorjahren.

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei einer atypisch stillen Gesellschaft trifft die Pflicht, Bücher zu führen und Jahresabschlüsse zu fertigen, allein den Geschäftsinhaber, nicht den stillen Gesellschafter. Werden Jahresabschlüsse nur im Auftrag des stillen Gesellschafters gefertigt, ist das Finanzamt zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen berechtigt. Die im Auftrag des stillen Gesellschafter gefertigten Jahresabschlüsse können jedoch bei der Schätzung der Höhe des Gewinns von Bedeutung sein.

2. Eine Buchführung, die mit nahezu siebenjähriger Verspätung erstellt worden ist, nicht vollständig ist und im einzelnen nicht nachvollziehbare Bilanzpositionen enthält, entspricht nicht den Anforderungen der §§ 238 Abs. 1 Satz 2 bis 3 HGB, 145 Abs. 1 AO und ist – da es sich um schwerwiegende sachliche Mängel handelt – ohne Beweiswert.

3. Die vom Konkursverwalter nach § 104 Konkursordnung aufgestellte Vermögensübersicht kann die kaufmännische Inventur zum Bilanzstichtag nicht ersetzen.

4. Die Grundsätze über die erfolgswirksame Berücksichtigung von Fehlern aus vorangegangenen und bestandskräftig veranlagten Wirtschaftsjahren im Rahmen des formellen Bilanzenzusammenhangs sind nicht anwendbar, wenn auch in den Vorjahren Gewinnschätzungen vorgenommen worden sind. Voraussetzung für die ergebniswirksame Korrektur von Fehlern aus früheren Veranlagungszeiträumen im Rahmen des formellen Bilanzenzusammenhangs ist ferner, dass sich mit Sicherheit feststellen lässt, dass eine fehlerhafte Bilanzierung zu einem unzutreffenden Gewinn in den Vorjahren geführt hat und nicht ein lediglich ergebnisneutraler Fehler vorliegt. Die Nachweispflicht dafür trifft den Steuerpflichtigen.

 

Normenkette

AO §§ 162, 140 Abs. 1, §§ 141-145, 146a Abs. 2, §§ 147, 148 S. 1, § 157 Abs. 2; EStG § 4 Abs. 1, § 5; HGB §§ 238-239; HGB 240; HGB § 242 ff.; FGO § 48 Abs. 1; KO § 104

 

Tatbestand

Streitig ist, ob bei der Gewinnermittlung der R.-Drogerie für 1986 zusätzliche Warenbezugskosten in Höhe von 457.745,97 DM zu berücksichtigen sind.

Der Kläger hat sich mit Vertrag vom 26. Mai 1976 am Handelsgewerbe des Beigeladenen mit einer Einlage von 150.000 DM als stiller Gesellschafter beteiligt. Das vom Beigeladenen betriebene Handelsgewerbe war die „R.-Drogerie” in E. Der Kläger war zu 50 % am Gewinn und Verlust sowie im Innenverhältnis am Geschäftsvermögen des Beigeladenen beteiligt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Vertrag vom 26. Mai 1976 Bezug genommen.

Die gewerblichen Einkünfte aus der Drogerie wurden im Wege der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte erfasst und auf den Kläger sowie den Beigeladenen zu je 50 % verteilt.

Die Buchführung für die R.-Drogerie wurde zunächst im Auftrag des Beigeladenen durch dessen Steuerberater erstellt. Ab Dezember 1984 hat der Beigeladene die für die Buchführung notwendigen Unterlagen nicht mehr dem Steuerberater vorgelegt. Für Zwecke der Erstellung der Umsatzsteuervoranmeldungen hat er dem Steuerberater telefonische Angaben gemacht. Eine Inventur wurde zu den Bilanzstichtagen 31. Dezember 1984 und 31. Dezember 1985 nicht durchgeführt. Über das Vermögen des Beigeladenen wurde am 9. Januar 1986 das Konkursverfahren eröffnet.

Das Finanzamt hat in den Feststellungsbescheiden für 1984 vom 3. November 1986, für 1985 vom 29. Juli 1987 und für 1986 vom 22. Juni 1988 die Besteuerungsgrundlagen für die Veranlagungszeiträume 1984 bis 1986 geschätzt und den Gewinn auf jeweils 0 DM festgesetzt. Die dagegen eingelegten Einsprüche blieben ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 8. November 1988).

Gegen die Feststellungsbescheide 1984 bis 1986 legte der Kläger am 28. Dezember 1988 Klage ein und begehrte, geänderte Gewinnfeststellungsbescheide auf der Grundlage noch einzureichender Steuererklärungen und der noch zu erstellenden Buchhaltung festzusetzen.

Am 2. Februar 1993 reichte der Kläger bei Gericht eine Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb 1984 der R.-Drogerie nebst einem als „Jahresabschluss zum 31.12.1984 der R.-Drogerie” bezeichneten Bericht ein, auf den hinsichtlich der Einzelheiten Bezug genommen wird. Das Finanzamt erließ am 31. März 1993 einen geänderten Feststellungsbescheid 1984, in dem die erklärten Einkünfte angesetzt wurden. Daraufhin erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich der Einkommensteuer 1984 in der Hauptsache für erledigt (Beschluss vom 7. Mai 1993).

Am 22. November 1993 reichte der Kläger bei Gericht eine Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb der R.-Drogerie für 1985 nebst einem als „Jahresabschluss zum 31.12.1985 der R.-Drogerie” bezeichneten Bericht ein, auf den hinsichtlich der Einzelheiten Bezug genommen wird. Das Finanzamt erließ am 7. Januar 1994 einen ...

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