rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Abfindung als gewerbesteuerpflichtiger Aussgleichsbetrag nach § 89b HGB. Handelsvertretung durch Mitgliederwerbung. Zulässige Verwertung eines im Rahmen eines Strafprozesses gemachten Geständnisses des Ehemanns im Finanzprozess der Klägerin. Gestellungspflicht des Klägers im Finanzprozess für im Ausland wohnenden Zeugen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Ausgleichszahlung, die ein Handelsvertreter gemäß § 89b HGB erhält, unterliegt als laufender Gewinn der Gewerbesteuer, und zwar auch dann, wenn die Beendigung des Vertragsverhältnisses mit der Veräußerung oder Aufgabe des Betriebes des Handelsvertreters zusammenfällt. Für die Beurteilung als Handelsvertreter kommt es hinsichtlich der ausgeübten Tätigkeit auf den Abschluss bzw. die Vermittlung von Vertragsverhältnissen an (hier: Mitgliederwerbung für den Geschäftsherrn).

2. Ein an den Handelsvertreter gezahlter Abfindungsbetrag ist als Ausgleichszahlung i. S. d. § 89b HGB zu qualifizieren, wenn die Ausgleichszahlung auf einem Anspruch beruht, der seiner rechtlichen und wirtschaftlichen Natur nach ein zusätzlicher Vergütungsanspruch des Handelsvertreters für die vor Vertragsende geleisteten und nach Vertragsende fortwirkenden Dienste gegenüber dem Geschäftsherrn ist, der unmittelbar aus dem Vertragsverhältnis folgt und keinen besonderen Willensentschluss voraussetzt, wie ihn die Aufgabe einer Tätigkeit oder eines Gewerbebetriebes erfordert.

3. Das FG ist berechtigt, aber nicht verpflichtet, sich bei Vorgängen, die sowohl in strafrechtlicher als auch in abgabenrechtlicher Hinsicht zu ermitteln und zu würdigen sind, sich die tatsächlichen Feststellungen einer vorangegangenen strafrechtlichen Entscheidung zu eigen zu machen, wenn sie nach seiner Überzeugung zutreffend sind und keine substantiierten Einwendungen gegen die Feststellungen des Strafgerichts erhoben werden. Dies gilt auch für ein Geständnis in einem strafrechtlichen Verfahren, an dem der Betroffene im finanzgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt war (hier: Geständnis des Ehemanns der Klägerin betreffend Steuerhinterziehung im Betrieb der Klägerin).

4. Hat ein im Ausland ansässiger Zeuge seine im strafrechtlichen Verfahren gemachte Aussage nach Abschluss des Strafverfahrens schriflich widerrufen, kann das nicht zugunsten der Klägerin im Finanzprozess berücksichtigt werden, wenn sie den Zeugen nicht im Rahmen ihrer Beweismittelbeschaffungspflicht gemäß § 90 Abs. 2 AO stellt.

 

Normenkette

GewStG § 7; HGB § 89b; FGO § 96 Abs. 1 S. 1, §§ 81-82; ZPO § 415; AO § 90 Abs. 2

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 16.02.2011; Aktenzeichen X B 133/10)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin erzielte in den Streitjahren Einkünfte aus Gewerbebetrieb durch eine Werbeagentur. Unternehmensgegenstand war der „Aufkauf von Werbeaufträgen und Weiterleitung an Firma”. Zum Ende des Jahres 1996 meldete die Klägerin ihren Gewerbebetrieb ab. In der Bilanz für das Streitjahr 1996 erklärte die Klägerin u.a. außerordentliche Erträge im Sinne des § 16 Einkommensteuergesetz (EStG) in Höhe von … DM. Gewerbesteuerlich wurde dieser Betrag nicht erfasst, da er nach Ansicht der Klägerin einen Betriebsaufgabegewinn darstelle.

Der Beklagte (Finanzamt) veranlagte die Klägerin zunächst erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO). Mit Änderungsbescheiden vom 29. März 2000 wurde auf Antrag der Klägerin der einheitliche Gewerbesteuermessbetrag 1996 und 1997 jeweils auf 0 DM festgesetzt sowie der vortragsfähige Gewerbeverlust auf den 31.12.1996 auf … DM und auf den 31.12. 1997 auf … DM gesondert festgestellt.

Vom 18. April 2001 bis 17. Dezember 2004 fand bei der Klägerin und ihrem Ehemann, Herrn H. L., mit Unterbrechungen eine Betriebsprüfung statt. Ab 15. November 2001 wurde auch eine Steuerfahndungsprüfung bei der Klägerin und ihrem Ehemann durchgeführt.

Dabei wurde Folgendes festgestellt:

Die Klägerin und ihr Ehemann betrieben mehrere Werbeagenturen als Inhaber und/oder Gesellschafter. Diese Werbeagenturen arbeiteten im Bereich der Mitgliederwerbung für das D. T. (D. T.) und das E. T. (E. T.). Verantwortliche Personen dieser Vereinigungen waren W. U., E. B. und Ud. L., der auch steuerlicher Berater der Klägerin war. Auftraggeber der Klägerin war die Firma C. AG in H. (Schweiz), deren Vertreter E. B. war.

Für die geworbenen Mitglieder erhielt die Klägerin im Jahr der Anwerbung sog. Erstprovisionen, ferner wurden in den folgenden Jahren jährliche Folgeprovisionen für einmal geworbene Mitglieder gezahlt. Ende 1996 endeten die Rechtsbeziehungen zwischen der Werbeagentur der Klägerin und der C. AG. Mit Vereinbarung vom 27. Dezember 1996, auf welche wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, wurde zur Abgeltung sämtlicher gegenseitiger Ansprüche die Ablösezahlung in Höhe von … DM an die Firma der Klägerin festgelegt, welche die Klägerin für das Streitjahr 1996 als außerordentliche Erträge erklärt hatte. Gegen ...

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