Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Billigkeitsmaßnahmen nach §§ 163, 227 AO im Zusammenhang mit der Übertragung eines für den Erblasser festgestellten, aus der Veräußerung einer Kommanditbeteiligung stammenden Verlustvortrages zum 31.12.2009 auf die Erben

 

Leitsatz (redaktionell)

1. In allen Erbfällen, die nach der Veröffentlichung des Beschlusses des Großen Senats des BFH v. 17.12.2007 (Az.: GrS 2/04) am 18.8.2008 eingetreten sind, kann der Erbe einen vom Erblasser nicht ausgenutzten Verlustabzug nach § 10d EStG nicht bei seiner eigenen Veranlagung zur Einkommensteuer geltend machen.

2. In seltenen und extrem gelagerten Konstellationen kann der Erbe im Rahmen von Billigkeitsmaßnahmen erreichen, dass er einen vom Erblasser nicht ausgenutzten Verlustabzug nach § 10d EStG bei seiner eigenen Veranlagung zur Einkommensteuer geltend machen kann. Danach können die vom Erben nicht ausgenutzten Verlustvorträge ggf. bei der eigenen Steuerfestsetzung (§ 163 AO) oder Steuererhebung (§ 227 AO) des Erben zum Tragen kommen. Die Übertragung der Verlustvorträge des Erblassers auf die Erben ist im Rahmen des jeweiligen Steuerfestsetzungsverfahrens bzw. Steuererhebungsverfahrens des einzelnen Erben geltend zu machen.

3. Die Übertragung von Verlustvorträgen nach § 10d EStG vom Erben auf den Erblasser wird vom Gesetzeswortlaut des § 163 AO nicht als Maßnahme der Billigkeit vorgesehen. Nach § 163 S. 1, 2. Alt. AO können nämlich nur einzelne steuererhöhende Besteuerungsgrundlagen unberücksichtigt bleiben; hingegen darf das Vorhandensein steuermindernder Besteuerungsgrundlagen nicht unterstellt werden.

4. Die – vom FG nach § 102 FGO nur eingeschränkt überprüfbare – Ermessensausübung des FA, dass eine Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO bzw. nach § 227 AO betreffend Verlustvorträge grundsätzlich nur dann in Frage kommt, wenn die Einkunftsquelle, die den Verlust verursacht hat, auf die Erben übergegangen ist, ist angesichts R 10d Abs. 9 EStR, insbesondere R 10d Abs. 9 S. 11 EStR, möglich und daher nicht zu beanstanden (im Streitfall: keine Billigkeitsmaßnahme für einen Verlustvortrag der Erblassers, der aus der Veräußerung einer Kommanditbeteiligung kurz vor dem Tod des Erblassers herrührt).

 

Normenkette

EStG § 10d Abs. 1, 4; AO §§ 163, 227, 5, 45; FGO § 102; EStR R 10 Abs. 9 S. 11

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 17.04.2018; Aktenzeichen IX R 24/17)

BFH (Urteil vom 17.04.2018; Aktenzeichen IX R 24/17)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob den Klägern als Rechtsnachfolgern des 2009 verstorbenen Erblassers E. für den Erblasser festgestellte verbleibende Verlustvorträge zum 31. Dezember 2009 im Rahmen einer Billigkeitsregelung zu übertragen sind.

An der Firma M. E. GmbH & Co. KG (KG) waren die Firma M. E. Beteiligungs GmbH mit Sitz in L. als Komplementärin sowie der unter Betreuung stehende Herr E. und dessen Söhne, die Kläger, als Kommanditisten beteiligt. Die KG ermittelte ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich. Sie wurde durch die Kläger als Geschäftsführer der Komplementärin vertreten. Gesellschaftszweck der KG war der Handel mit Möbeln. Die wesentlichen Betriebsgrundlagen wurden der KG von der Firma E. Verwaltungs- und Bau GmbH & Co. KG (Bau KG) vermietet.

Durch Testament vom 21. Juli 1999 hatte der am 21. Juni 1923 geborene Herr E. die Kläger zu gleichen Teilen als Erben eingesetzt und zu Gunsten seiner beiden Töchter Vermächtnisse angewiesen. Außerdem hatte er in diesem Testament umfangreiche Teilungsanordnungen getroffen.

Durch notariellen Unternehmenskaufvertrag vom 23. Dezember 2008 wurden u.a. die Kommanditbeteiligungen des Herrn E. und der Kläger an die Firma XY Service GmbH (GmbH) mit Sitz in W. aus der ABC veräußert und abgetreten.

Durch Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die KG vom 13. Februar 2012 wurden für Herrn E. Einkünfte aus Gewerbebetrieb von –2.011.021,10 EUR unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgestellt. Der Bescheid wurde an die Kläger als Rechtsnachfolger von Herrn E. adressiert. Im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2009 vom 22. Februar 2012 wurde ein Teil des Verlustvortrages mit verschiedenen positiven Einkünften des Herrn E. verrechnet. Im Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2009 vom 22. Februar 2012 wurde der verbleibende Verlustvortrag nach § 10 Buchst. d Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf 1.451.307 EUR festgestellt. Der Bescheid erging an die Kläger als Rechtsnachfolger des verstorbenen Herrn E..

Mit Schreiben vom 28. Februar 2012 beantragten die Kläger beim Beklagten (das Finanzamt – FA –), die mit Bescheid vom 22. Februar 2012 festgesetzten Veräußerungsverluste in Höhe von 487.500 EUR auf den Veranlagungszeitraum 2008 zurück zu tragen. Sie beantragten, den sich nach Verlustrücktrag ergebenden Verlustvortrag in Höhe von 1.475.307 EUR zu gleichen...

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