Entscheidungsstichwort (Thema)

Verdeckte Einlage durch Forderungsverzicht ist mit dem Teilwert der Forderung zu bewerten

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine verdeckte Einlage des Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft, die dieser dadurch erbringt, dass er auf eine gegenüber der Gesellschaft bestehende Forderung verzichtet, ist mit dem Teilwert der Forderung im Zeitpunkt der Verzichtserklärung zu bewerten.

2. Der Teilwert einer Forderung wird durch die Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit des Schuldners sowie durch ihre Verzinslichkeit beeinflusst, so dass aus einer bilanziellen Überschuldung des Schuldners – im Gegensatz zur wirtschaftlichen Überschuldung – allein noch nicht auf die Wertlosigkeit einer gegen ihn gerichteten Forderung geschlossen werden kann.

3. Ein durch den Inhaber der Forderung erklärter Rangrücktritt erlaubt nicht den Schluss, die Forderung müsse mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht beglichen werden.

4. Kann die Forderung zum Bewertungsstichtag nicht in vollem Umfang beglichen werden, so kann sie dennoch werthaltig sein, wenn mit einer ratenweise Erfüllung in der Zukunft gerechnet werden kann. Der Teilwert bestimmt sich in diesem Fall danach, in welchem Umfang der Ausfall der Forderung mit einiger Wahrscheinlichkeit droht.

 

Normenkette

EStG 1990 § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Nrn. 5, 1 Sätze 3, 2; KStG 1991 § 8 Abs. 1

 

Tenor

1. Der Körperschaftsteuerbescheid und der Gewerbesteuermessbetragsbescheid 1991 sowie der Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Verlusts aus Gewerbebetrieb auf den 31. Dezember 1991, jeweils vom 19. Februar 1997 und die Einspruchsentscheidung vom 18. Dezember 1998 sind insoweit zu ändern, als die steuerfreien Einlagen um 3.995.725,60 Euro zu erhöhen sind.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Berechnung der festzusetzenden bzw. festzustellenden Beträge wird dem Beklagten übertragen.

4. Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 1/5, der Beklagte zu 4/5.

5. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

I.

Unternehmensgegenstand der Klägerin, einer GmbH, ist die Herstellung und der Vertrieb von sowie Serviceleistungen für medizinische Laborinstrumente und -geräte, chemische Reagenzien und Lösungen. Sie hat ein abweichendes Wirtschaftsjahr vom 1. Dezember bis 30. November des Folgejahres. Das Stammkapital in Höhe von 500.000 DM ist voll einbezahlt.

Bis 8. Mai 1991 war die F – GmbH, L., USA (F – GmbH) alleinige Gesellschafterin der Klägerin. An diesem Tag hat sie ihre Anteile an eine weitere Tochtergesellschaft, die I. Labor, Italien (I. Labor) abgetreten. Auch die Anteile anderer Tochtergesellschaften in Großbritannien, den Niederlanden, Belgien, Frankreich und Österreich trat die Gesellschafterin an die I. Labor ab. Die von der I. Labor für die Anteile an den Schwestergesellschaften angebotenen Preise (vgl. Schreiben vom 9. April 1991) wurden von der Muttergesellschaft (F – GmbH) jeweils am 12. April 1991 angenommen. Nach der Zusammenstellung vom 7. Mai 1991 entfielen vom Gesamtpreis in Höhe von 10.810.000.000 Lit. auf die Klägerin 2.400.000.000 Lit., das sind 3.200.000 DM. Am 23. August 1991 veräußerte die F – GmbH ihre gesamten Anteile an der I. Labor für 116.000.000 Dollar (202.443.200 DM) an eine spanische, nicht mit der F – GmbH verbundene Gesellschaft. Eine Aufteilung des Kaufpreises für die I. Labor auf die einzelnen Gesellschaften (Beteiligungen) erfolgte nicht.

Am 11. April 1991 hatte die F – GmbH zur Vermeidung der bilanziellen Überschuldung der Klägerin dieser gegenüber auf Forderungen in Höhe von 10.215.635,86 DM verzichtet. Die Klägerin hat insoweit einen außerordentlichen Ertrag angesetzt und einen Jahresüberschuss von 12.799.045,63 DM ermittelt. Allerdings hat sie in ihrer Körperschaftsteuererklärung 1991 den Verzicht in Höhe des Nominalbetrages als Einlage behandelt, die das Nennkapital nicht erhöht hat. Das beklagte Finanzamt (Finanzamt) ist dem mit unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheiden zunächst gefolgt.

Im Rahmen einer Betriebsprüfung vertrat der Fachprüfer für Auslandsbeziehungen bei der Oberfinanzdirektion (OFD) die Auffassung, dass die erlassene Forderung mit dem Teilwert von 0 DM zu bewerten sei, so dass keine einkommensteuermindernde Anrechnung der Einlage erfolgen könne. Auf den Bericht (Anlage 13 zum Betriebsprüfungsbericht vom 10. Januar 1997) wird ergänzend Bezug genommen. Das Finanzamt änderte dementsprechend am 19. Februar 1997 die ursprünglichen Steuerbescheide. Mit Einspruchsentscheidung vom 18. Dezember 1998 wies das Finanzamt u.a. die Einsprüche gegen die im Rubrum aufgeführten Bescheide als unbegründet zurück. Auf die Einspruchsentscheidung wird ergänzend Bezug genommen.

Mit der Klage wendet sich die Klägerin gegen die Bewertung des al...

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