rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Entscheidungsbefugnis des Berichterstatters über die Erinnerung. Voraussetzungen für das Entstehen einer zusätzlichen Erledigungsgebühr neben der Verfahrensgebühr

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Angesichts der Zielsetzung des § 79a Abs. 1 FGO, den Senat in all denjenigen Fällen zu entlasten, in denen er noch nicht mit dem Fall in der Sache befasst war, schließt die Entscheidungsbefugnis des Berichterstatters über die Kosten nach § 79a Abs. 1 Nr. 5 FGO die Entscheidung über die Kostenerinnerung nach § 149 Abs. 4 FGO ein.

2. Die zu § 24 BRAGO entwickelten Grundsätze sind auch für die Auslegung der Nr. 1002 Vergütungsverzeichnis (VV) heranzuziehen.

3. Die Erledigungsgebühr nach Nr. 1002 VV ist ein Ersatz für die Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV, die im finanzgerichtlichen Verfahren grundsätzlich nicht in Betracht kommt.

4. Für die Entstehung einer Erledigungsgebühr bedarf es einer über die bereits mit der Verfahrensgebühr abgegoltene Prozessführung hinausgehenden besonderen Tätigkeit, die durch ein zusätzliches Bemühen um eine Erledigung ohne streitige Sachentscheidung gekennzeichnet sein und eine wesentliche Ursache für die Erledigung des Rechtsstreits ohne gerichtliche Entscheidung gesetzt haben muss.

 

Normenkette

FGO § 79a Abs. 1 Nr. 5, § 149 Abs. 4, § 138; RVG § 2 Abs. 2 S. 1; VV Nrn. 1000, 1002, 3200; BRAGO § 24

 

Tenor

Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Finanzgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 10.03.2010 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

1.

Über die Erinnerung der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 10.03.2010 entscheidet nach § 149 Abs. 4 FGO das Gericht durch Beschluss, und zwar gemäß § 79a Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4 FGO allein durch den Vorsitzenden bzw. Berichterstatter, nicht dagegen durch den Senat.

Zwar erstreckt sich der Anwendungsbereich des § 79a Abs. 1 FGO dem Wortlaut nach nur auf Entscheidungen „im vorbereitenden Verfahren”. Es entspricht aber der Zielsetzung des § 79a Abs. 1 FGO, den Senat in all denjenigen Fällen zu entlasten, in denen er noch nicht mit dem Fall in der Sache befasst war. Insoweit ist der Begriff des vorbereitenden Verfahrens weit zu verstehen (Koch in Gräber, FGO, 6. Aufl., § 79a Rz. 15).

Vorliegend war bisher lediglich der Berichterstatter, nicht dagegen der Senat mit dem Fall in der Sache befasst. Daher war auch der Berichterstatter gem. § 79a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 FGO zuständig für die nach § 138 FGO zu treffende Kostenentscheidung, nachdem die Beteiligten ihre übereinstimmenden Erledigungserklärungen abgegeben hatten. Nichts anderes kann für die hier zu treffende Entscheidung „über Kosten” im Sinne von § 79a Abs. 1 Nr. 5 FGO gelten.

Entscheidungen über Kosten sind nicht nur Entscheidungen über die Kostentragungsverpflichtung dem Grunde nach, sondern auch Entscheidungen über Einwendungen, die – wie hier – die Höhe der zu erstattenden Kosten betreffen. Das Gericht folgt daher der Rechtsprechung, wonach die Entscheidungsbefugnis des Berichterstatters über die Kosten nach § 79a Abs. 1 Nr. 5 FGO die Entscheidung über die Kostenerinnerung nach § 149 Abs. 4 FGO einschließt (ebenso: FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.08.2007 – 8 KO 1/07, EFG 2007, 710 mit weiteren Nachweisen; a. A. Koch a. a. O.).

2.

Die Erinnerung ist unbegründet. Die von der Klägerin geltend gemachte Erledigungsgebühr wurde zu Recht nicht berücksichtigt.

Eine Erledigungsgebühr entsteht, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsaktes durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz – RVG – i. V. m. Nr. 1002 Vergütungsverzeichnis – VV –). § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG i. V. m. Nr. 1002 VV entspricht im Wesentlichen der Regelung des bis zum 30. Juni 2004 geltenden § 24 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO). Die zu § 24 BRAGO entwickelten Grundsätze sind daher auch für die Auslegung der Nr. 1002 VV heranzuziehen.

Ebenso wie früher § 24 BRAGO einen Ersatz für die Vergleichsgebühr nach § 23 BRAGO darstellte, so ist die Erledigungsgebühr nach Nr. 1002 VV ein Ersatz für die Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV, die im finanzgerichtlichen Verfahren grundsätzlich nicht in Betracht kommt (vgl. Stapperfend in Gräber, FGO, 6. Auflage, § 139 Rz. 76). Ebenso wie die Einigungsgebühr wird auch die Erledigungsgebühr nicht bereits durch die allgemeine Prozessführung verdient. Vielmehr wird die allgemeine Prozessführung, nämlich „das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information” (Definition in Vorbemerkung 3 Abs. 2 vor Teil 3 VV) bereits durch die Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV abgegolten. Für die Entstehung einer Erledigungsgebühr bedarf es einer darüber hinausgehenden besonderen Tätigkeit (vgl. Stapperfend in Gräber, FGO, 6. Auflage, § 139 Rz. 78 m. w. N.).

Diese über die allgemeine Prozessführung hinausgehende Tätigkeit muss durch ein zusätzliches Bemühen um eine Erledigung ohne streitige Sachentscheidung gekennzeichnet sein (so schon ...

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