Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuererstattungsanspruch nach Insolvenz bei angeordneter Nachtragsverteilung

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Eine Nachtragsverteilungsanordnung berührt nicht die Frage, wem eine Steuerfestsetzung bekanntzugeben ist; dies ist nach den allgemeinen Regeln zu beurteilen.

2) Ein Steuererstattungsanspruch entsteht, wenn nach einer Steuerfestsetzung eine Überzahlung vorliegt. Ob dies der Fall ist, wird im Erhebungsverfahren entschieden, nicht im Rahmen des Steuerfestsetzungsverfahrens.

 

Normenkette

AO § 251; InsO § 97; AO §§ 122, 218 Abs. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 11.02.2021; Aktenzeichen VI R 37/18)

BFH (Aktenzeichen VI R 37/18)

 

Tatbestand

Das Amtsgericht G eröffnete am ….7.2008 das Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen des Herrn Q (Insolvenzschuldner) und bestellte die Klägerin zur Treuhänderin. Am ….5.2010 kündigte das Amtsgericht dem Insolvenzschuldner die Restschuldbefreiung an und bestellte die Klägerin nunmehr zur Treuhänderin im Sinne des § 291 Abs. 2 InsO. Am ….6.2010 hob das Amtsgericht das Insolvenzverfahren mangels einer zu verteilenden Masse ohne Schlussverteilung auf. In dem Beschluss heißt es weiter: „Hinsichtlich etwaiger – auf die Dauer des Insolvenzverfahrens entfallender – Steuererstattungsansprüche wird die Nachtragsverteilung angeordnet (§ 203 Abs. 1 InsO).”

Am 24.10.2010 gaben der Insolvenzschuldner und dessen Ehefrau die gemeinsame Einkommensteuererklärung für 2009 ab. Darin machte der Insolvenzschuldner im Rahmen seiner Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit mit dem Kraftfahrzeug zurückgelegte Fahrten zwischen seiner Wohnung in Nideggen und seiner regelmäßigen Arbeitsstätte in D als Werbungskosten geltend. Er gab in dem Vordruck die einfache Entfernung zur Arbeitsstätte mit 25 Kilometern an.

Der Beklagte setzte die Einkommensteuer 2009 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung im Wege der Zusammenveranlagung mit Bescheid vom 13.12.2010, der dem Insolvenzschuldner und dem Insolvenzverwalter seiner Ehefrau einzeln bekannt gegeben wurde, auf 5.265 € fest. Die für die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte anzusetzende Entfernungspauschale berechnete der Beklagte ausgehend von der Erklärung mit 1.725 € (= 230 Tage X 25 km X 0,30 €). Nach Abzug der Lohnsteuer ergab die Abrechnung zu dem Bescheid eine – im Einzelnen ausgewiesene – Überzahlung. Der Einkommensteuerbescheid wurde dem Insolvenzschuldner persönlich und ohne Hinweis auf das aufgehobene Insolvenzverfahren bekannt gegeben. Über die Verwendung des Guthabens wurde eine besondere Mitteilung angekündigt. Der Klägerin gab der Beklagte diesen Bescheid nicht bekannt.

Entsprechend dem Verhältnis der Lohnsteuerabzugsbeträge des Insolvenzschuldners und seiner Ehefrau errechnete der Beklagte aufgrund des Bescheids vom 13.12.2010 für den Insolvenzschuldner einen anteiligen Erstattungsanspruch in Höhe von zusammen 349,01 €, der sich aus 188,53 € Einkommensteuer, 99,62 € Kirchensteuer und 60,86 € Solidaritätszuschlag zusammensetzte. Diesen Betrag zahlte der Beklagte dem Insolvenzschuldner aus und teilte dies der Klägerin mit. Diese machte geltend, die Erstattung habe aufgrund der angeordneten Nachtragsverteilung nicht mit schuldbefreiender Wirkung an den Insolvenzschuldner ausgezahlt werden können, und forderte den Beklagten auf, den Erstattungsanspruch auf das Treuhandkonto zu überweisen.

Der Beklagte erließ unter dem 6.1.2011 einen Abrechnungsbescheid. Darin stellte er fest, dass der Erstattungsanspruch des Insolvenzschuldners durch die an ihn geleistete Zahlung erloschen sei. Der Nachtragsverteilungsbeschluss des Amtsgerichts sei nicht hinreichend bestimmt, da weder die Steuerart noch der Zeitraum angegeben seien. Die Erstattung habe daher mit schuldbefreiender Wirkung nur an den Insolvenzschuldner gezahlt werden können.

Gegen diesen Abrechnungsbescheid erhob die Klägerin nach erfolglosem Einspruch die beim erkennenden Senat unter dem Aktenzeichen 3 K 769/11 geführte Klage. Sie beantragte in der Klageschrift, unter Aufhebung des Abrechnungsbescheides und der Einspruchsentscheidung den Beklagten zu verpflichten, die Steuererstattung des Insolvenzschuldners gemäß dem Einkommensteuerbescheid vom 13.12.2010 in Höhe von 349,01 € an sie, die Klägerin, auszuzahlen. Auf Anregung des Senats schränkte die Klägerin ihr Begehren in der mündlichen Verhandlung ein und beantragte lediglich, den Abrechnungsbescheid vom 6.1.2011 und die Einspruchsentscheidung vom 8.2.2011 aufzuheben. Diesem Klageantrag gab der Senat durch Urteil vom 25.2.2015 3 K 769/11 (EFG 2015, 1339) statt. Die dagegen vom Beklagten eingelegte Revision wies der BFH mit Urteil vom 20.9.2016 VII R 10/15 (BFH/NV 2017,442) als unbegründet zurück. Der Erstattungsanspruch werde von der Anordnung der Nachtragsverteilung erfasst, weshalb er mit der Zahlung an den Insolvenzschuldner nicht erloschen sei. Dass der Einkommensteuerbescheid nicht der Klägerin erteilt worden sei, ändere daran nichts. Der festsetzende Teil des Einkommensteuerbescheids sei zu Recht dem Ins...

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