Entscheidungsstichwort (Thema)

Antrag auf Günstigerprüfung

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein Antrag nach § 32d Abs. 4 EStG kann nachträglich gestellt werden, wenn eine vorherige Antragstellung nicht zuzumuten ist, weil er zuvor ins Leere gegangen und damit rechtlich bedeutungslos gewesen wäre.

 

Normenkette

EStG § 32a Abs. 1, 5, § 32d Abs. 1 S. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 14.07.2020; Aktenzeichen VIII R 6/17)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die – ursprünglich nicht beantragte – Anwendung des § 32 d Abs. 6 Einkommensteuergesetz strittig.

Die Kläger gaben am 04.10.2011 ihre Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2010 ab.

Sie erklärten u.a. gewerbliche Einkünfte in Höhe von 305.814,– € aus einer A mbH & Co. KG, die beim Finanzamt B gesondert und einheitlich festgestellt wurden und für die eine Mitteilung des Finanzamts B vom 16.9.2011 in entsprechender Höhe vorlag.

Darüber hinaus erklärten sie auf der Anlage KAP Kapitalerträge in Höhe von 33.084,– €. Die Günstigerprüfung, wie sie in Zeile 4 beantragt werden kann, wurde nicht beantragt.

Am 03.01.2012 erging eine Einkommensteuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Am 01.02.2012 erging ein Änderungsbescheid, der den Vorbehalt der Nachprüfung aufhob.

Nachdem eine geänderte Mitteilung des Finanzamts B ergangen war, wurde am 04.04.2014 ein nach § 175 Abs. 1 Nr.1 AO geänderter Einkommensteuerbescheid erlassen. Hiernach betrugen die Einkünfte aus Gewerbebetrieb nunmehr 0,– €. Die festgesetzte Einkommensteuer verminderte sich von ursprünglich 118.311 € auf 7.733,– €.

Gegen diesen Bescheid legten die Kläger am 08.04.2014 Einspruch ein und beantragten nunmehr die Günstigerprüfung bei den Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 32 d Abs. 6 Einkommensteuergesetz vorzunehmen.

Der Beklagte verwarf den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 31.07.2014 als unzulässig, da nach seinem Dafürhalten nach § 351 Abs. 1 AO kein Änderungsrahmen gegeben sei.

Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer am 06.08.2014 erhobenen Klage.

Die Kläger sind der Ansicht, mit der Änderung des ursprünglichen Einkommensteuerbescheids nach § 175 Abs. 1 Satz 1 AO hätten erstmals die Voraussetzungen zur Ausübung des Wahlrechts nach § 32 d Einkommensteuergesetz vorgelegen. Da der Antrag nicht fristgebunden sei, habe das Wahlrecht nun erstmals ausgeübt werden können. Sie verweisen neben zahlreicher Rechtsprechung u.a. auf einen Erlass des Finanzministers NRW vom 11.08.2016.

Die Kläger beantragen,

den Beklagten zu verpflichten, den Antrag der Kläger auf Günstigerprüfung nach § 32d Abs.6 EStG unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 31.7.2014 ergangen zu Steuernummer … zu berücksichtigen und den Einkommensteuerbescheid für den Erhebungszeitraum 2010 vom 4.4.2014 entsprechend zu ändern.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Beklagte ist der Ansicht, eine Änderung könne nur erfolgen, wenn die Voraussetzungen einer Änderungsvorschrift zu Gunsten der Kläger erfüllt seien. Dies sei vorliegend aber nicht der Fall.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig und begründet.

1. Das Begehren der Kläger ist als Anfechtung des Einkommensteuerbescheides vom 4.4.2014 und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 31.7.2014 auszulegen.

Denn die Kläger wenden sich gegen die zu hoch festgesetzte Einkommensteuer und begehren eine Herabsetzung. Damit handelt es sich im Kern um ein Anfechtungsbegehren.

2. Die Klage ist auch begründet.

Der geänderte Einkommensteuerbescheid vom 04.04.2014 und die hierauf ergangene Einspruchsentscheidung vom 31.07.2014 sind insoweit rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten, als darin die Kapitalerträge der Kläger nicht zum tariflichen Einkommensteuersatz nach § 32 a Abs. 1 und 5 EStG, sondern zum Abgeltungssteuersatz von 25 % (§ 32 d Abs. 1 Satz 1 EStG) besteuert wurden.

Die Kläger haben wegen der Besteuerung der Kapitalerträge mit dem tariflichen Einkommensteuersatz – nachträglich – wirksam einen Antrag auf Günstigerprüfung gestellt, den der Beklagte zu Unrecht nicht berücksichtigt hat.

Es besteht nach § 351 Abs.1 AO insoweit die Möglichkeit Verwaltungsakte, die unanfechtbare Verwaltungsakte ändern, anzugreifen, als die Änderung reicht; es sei denn, dass sich aus den Vorschriften über die Aufhebung und Änderung von Verwaltungsakten etwas anderes ergibt (§ 351 Abs. 1).

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Da die Kläger eine weitere Änderung zu ihren Gunsten begehren ergibt sich eine Änderungsmöglichkeit aus § 351 Abs.1 a. E. AO in Verbindung mit § 175 Abs.1 Nr. 2 AO.

Denn vorliegend ist eine Änderung des bestandskräftigen Bescheides wegen eines rückwirkenden Ereignisses nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO vorzunehmen. Nach dieser Vorschrift kann ein Steuerbescheid geändert werden, wenn ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat. Es muss zudem ein Bedürfnis bestehen, eine schon bestandskräftig getroffene Regelung an die nachträgliche Sachverhaltsänderung anzupassen (vgl. z.B. B...

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