Entscheidungsstichwort (Thema)

Unfall auf einer Fahrt zur Arbeitsstätte: Übernahme des Schadens eines anderen Verkehrsteilnehmers zur Erhaltung des Schadensfreiheitsrabatts. Einkommensteuer 1977

 

Leitsatz (amtlich)

Übernimmt ein Steuerpflichtiger, der auf einer Fahrt zur Arbeitsstätte einen Unfall verursacht und dabei einem anderen Verkehrsteilnehmer einen Schaden zugefügt hatte, zur Erhaltung seines sog. Schadensfreiheitsrabatts den Schaden persönlich und erstattet er seiner Haftpglichtversicherung den von dieser dem Geschädigten bereits ersetzten Schaden, liegen insoweit Werbungskosten vor. Der dem Dritten ersetzte Schaden ist nicht durch die Pauschsätze des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG abgegolten.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 1, Abs. 1 Nr. 4

 

Tenor

Unter Abänderung des Einkommensteuerbescheides 1977 vom 19.4.1978 wird die Einkommensteuerschuld 1977 auf 7.804,– DM festgesetzt.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Das Urteil ist bezüglich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Kläger abzuwenden, falls diese nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe

Der Streiwert wird auf 246,– DM festgesetzt.

 

Tatbestand

Der klagende Ehemann ist von Beruf Beamter. Er verursachte an: 5.12.1977 gegen 7'20 Uhr auf einer Fahrt zur Arbeitsstätte einen Autounfall durch welchen einem anderen Verkehrsteilnehmer ein Schaden in Höhe von 741,– DM zugefügt wurde. Zur Erhaltung seines sog. Schadensfreiheitsrabattes übernahm der klagende Ehemann den Schaden persönlich und erstattete seiner Haftpflichtversicherung den von dieser dem Geschädigten bereits ersetzten Schaden. Die entsprechende Zahlung an die Haftpflicht versicherung erfolgte am 30.12.1977. Im Rahmen seiner Einkommensteuer erklärung 1977 setzte der Kläger die Zahlung als Werbungskosten an. I Finanzamt lehnte eine Berücksichtigung ab.

Sinngemäß beantragen die Kläger,

unter Abänderung des Einkommensteuerbescheides 1977 vom 19.4.1978 die Einkommensteuerschuld 1977 neu festzusetzen und dabei zusätzliche Werbungskosten des Ehemannes bei dessen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 741,– DM zu berücksichtigen.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Rücksicht auf den Streitwert unter 500,– DM wird auf die weitere Darstellung des Tatbestandes gemäß § 105 Abs. 5 FGO verzichtet.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Kläger werden durch den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 1977 gemäß § 100 Abs. 1 FGO in ihren Rechten verletzt. Zu Unrecht ließ nämlich das Finanzamt die von den Klägern geltend gemachten Ausgaben zum Werbungskostenabzug nicht zu. Dazu ist der Senat davon ausgegangen, daß der Werbungskostenabzug nur für die vom klagenden Ehemann am 30.12.1977 an die eigene Haftpflichtversicherung gezahlter 741,– DM in Betracht kommt. Denn nur insoweit liegt eine Ausgabe im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG vor. Aus dem Umkehrschluß zu § 8 Abs. 1 EStG folgt nämlich, daß unter den Ausgabenbegriff nur der Abfluß von Gütern fällt, die in Geld oder Geldeswert bestehen. Denn § 8 Abs. 1 EStG definiert … den Einnahmebegriff als den Zufluß aller Guter, die in Geld oder Geldeswert bestehen. Da sich aber die Begriffe Einnahmen und Ausgaben spiegelbildlich zueinander verhalten, muß der Einnahmedefinition auch eine Inhaltsbestimmung für den Ausgabenbegrif entnommen werden können (vgl. FG Düsseldorf, Senate in Köln, Urteil vom 5.4.1978 VII 359/75 E, EFG 1978, 359; Offerhaus, BB 1979, 617; v. Bornhaupt in Söhn, Die Abgrenzung der Betriebs- oder Berufssphäre von der Privatsphäre im Einkommensteuerrecht, Köln 1980, S. 149, 155).

Beim klagenden Ehemann sind jedoch nur die gezahlten 741,– DM abgeflossen und diese auch erst am 30.12.1977. Mag auch vorher schon eine Verbindlichkeit des klagenden Ehemannes gegenüber dem Geschädigten bestanden haben, so bedeutete deren Bestand noch nicht den Abfluß eines Gutes in Geld oder Geldeswert, Dies gilt hier umso mehr, als der Geschädigte auch einen Anspruch gegen die Haftpflichtversicherung besaß und diese verpflichtet war, den Kläger von Schadensersatzansprüchen des Geschädigten freizustellen.

Entgegen der Auffassung des Finanzamtes ist jedoch auch die Zahlung von 741,– DM am 30.12.1977 an die eigene Haftpflichtversicherung durch den Beruf des klagenden Ehemannes veranlaßt. Dazu ist der Senat davon ausgegangen, daß unter den Werbungskostenbegriff des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG alle Ausgaben fallen, die durch die maßgebliche Einkunftsquelle (hier: Ausübung einer nichtselbständigen Arbeit durch den Kläger) veranlaßt sind. Die entsprechende Begriffsbestimmung ergibt sich aus einer am Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG orientierten Auslegung von § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG, die sich zusätzlich an den Wortlaut des § 4 Abs, 4 EStG anlehnt. Aus Art. 3 Abs. 1 GG folgt nämlich, daß unter Betriebsausgaben und Werbungskosten grundsätzlich nichts anderes verstanden werden kann. Dies zwingt dazu, den Werbungsk...

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