Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtigkeit eines Bescheides bei Fehlen von Angaben zur Reichweite des Vorläufigkeitsvermerkes

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein ohne weitere Angaben zu seinem Umfang ergangener Vorläufigkeitsvermerk ist auch dann mangels Bestimmtheit nichtig, wenn der in Bezug genommene Feststellungsbescheid nur den Gewinn aus einer Einkunftsart betrifft.

2. Der Anscheinsbeweis für die Gewinnerzielungsabsicht bei dem Betrieb einer neu gegründeten Kunstgalerie wird nicht durch die Möglichkeit der Steuerersparnis durch Verlustverrechnung erschüttert.

3. Gleiches gilt für das Fehlen einer vorab erstellten Marktanalyse, wenn die ungünstige Entwicklung der Galerie ebenso plausibel auf die bei deren Eröffnung nicht absehbare Verschlechterung der örtlichen Wirtschaftslage zurückgeführt werden kann.

 

Normenkette

AO § 119 Abs. 1, §§ 125, 126 Abs. 1 Nr. 2, § 165; EStG § 15 Abs. 2

 

Streitjahr(e)

1996, 1997, 1998

 

Tatbestand

Die Klägerin wohnt in „A”. Im Zeitraum von 1991 bis 2000 hat sie in „B” eine Kunstgalerie betrieben. Streitig ist, ob der Beklagte befugt gewesen ist, die ursprünglich für die Streitjahre 1991 bis 1994 und 1996 bis 1998 erlassenen Feststellungsbescheide nach Maßgabe der Bestimmungen der Abgabenordnung (AO) aufzuheben.

Die im Jahr 1944 geborene Klägerin eröffnete im Oktober 1991 die Kunstgalerie „C”, und zwar in Räumlichkeiten des Gebäudes „D-Str. 35” in „B”. Hierbei handelt es sich um ein fünfstöckiges Gebäude, das ihr Ehemann zu Beginn des Streitjahres 1991 auf einem in seinem Eigentum stehenden Grundstück zum Betrieb der Galerie errichtet und an die Klägerin vermietet hatte. Die steuerlichen Verhältnisse der Klägerin und ihres Ehemannes im Streitjahr 1991 und in den Jahren danach stellen sich wie folgt dar:

Jahr

Galerie der Klägerin

Ehemann

laufende Betriebseinn.

Gewinn/Verlust

darin in Abzug gebrachte Nettomiete

Summe der Einkünfte

1991

0,-- DM

- 20.750,-- DM

3.000,-- DM

93.377,-- DM

1992

73.228,-- DM

- 51.441,-- DM

16.421,-- DM

160.262,-- DM

1993

61.714,-- DM

- 21.024,-- DM

16.421,-- DM

89.720,-- DM

1994

46.407,-- DM

- 55.209,-- DM

16.421,-- DM

209.175,-- DM

1995

88.735,-- DM

+ 7.346,-- DM

16.421,-- DM

126.977,-- DM

1996

59.626,-- DM

- 55.927,-- DM

10.249,-- DM

39.813,-- DM

1997

41.439,-- DM

- 18.088,-- DM

8.525,-- DM

8.662,-- DM

1998

42.401,-- DM

- 22.511,-- DM

18.898,-- DM

66.540,-- DM

ZwSu

- 237.604,-- DM

1999

38.094,-- DM

- 25.288,-- DM

10.344,-- DM

2000

13.401,-- DM

- 23.718,-- DM

12.000,-- DM

Summe

465.045,-- DM

- 286.610,-- DM

Der Beklagte erließ für die Streitjahre folgende Feststellungsbescheide:

1991

1992

1993

1994

1996

1997

1998

Datum

26.03.93

14.06.94

30.11.95

22.07.96

03.07.98

09.08.99

07.07.00

vorläufig (§ 165 AO)

X

X

X

X

X

Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO)

X

X

X

X

festgestellter Verlust

20.750

51.441

21.024

55.209

55.927

18.088

22.511

Der Feststellungsbescheid für das Kalenderjahr 1995 erging zunächst im Schätzungswege. Der im Einspruchsverfahren erlassene Änderungsbescheid wurde nicht mit einer Nebenbestimmung versehen. Er ist bestandskräftig.

Im Rahmen einer Außenprüfung für die Jahre 1996 bis 1998 kam der Prüfer zu dem Ergebnis, dass der Betrieb der Galerie von Beginn an als steuerlich unbeachtliche Liebhaberei zu qualifizieren sei (Bericht vom 31.10.2001). Seit Geschäftsbeginn 1991 bis Ende des Prüfungszeitraumes 1998 sei ein Verlust von rund 240.000,-- DM angefallen. Die Galerie sei von vornherein objektiv nicht in der Lage gewesen, einen Totalgewinn zu erbringen. Auch sei sie nicht mit dem für einen Erfolg erforderlichen Einsatz geführt worden. Sie sei nämlich nur an zehn Stunden in der Woche, und zwar jeweils an fünf Stunden Mittwochs und Sonntags, geöffnet gewesen. Diese Öffnungszeiten entsprächen nicht den Regeln des Bundesverbandes Deutscher Galerien, worin vorgesehen sei, dass hauptberuflich betriebene Galerien einer uneingeschränkten Öffentlichkeit während der üblichen Öffnungszeiten an mindestens 20 Stunden wöchentlich zugänglich sein müssten. Die Klägerin habe vor Eröffnung weder eine Marktanalyse durchgeführt, noch eine Ergebnisprognose erstellt. Dies widerspreche einer Tätigkeit, die auf Gewinnerzielung angelegt sei.

Der Beklagte schloss sich der Auffassung des Prüfers an und hob mit zusammengefasstem Bescheid vom 31.10.2001 die Gewinnfeststellungsbescheide 1991 bis 1994 sowie 1996 bis 1998 nach §§ 165 Abs. 2 und 164 Abs. 2 AO auf. Den von der Klägerin erhobenen Einspruch wies er mit Einspruchsentscheidung vom 21.2.2002 als unbegründet zurück.

Im Klageverfahren trägt die Klägerin vor:

Der angefochtene Bescheid vom 31.10.2001 sei rechtswidrig.

Hinsichtlich der Aufhebung der Gewinnfeststellungsbescheide für die Streitjahre 1991 bis 1994 gelte dies schon deshalb, weil eine Anwendung der Bestimmung des § 165 Abs. 2 AO nicht zulässig gewesen sei. Zwar sei in die vorangegangenen Feststellungsbescheide ein Vorläufigkeitsvermerk aufgenommen worden, zum Grund oder zum Umfang der Vorläufigkeit seien aber keine Angaben gemacht worden. Daher sei der Vorläufigkeitsvermerk...

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