Revision zugelassen durch das FG

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwendung von § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 AO beim nachträglichen Bekanntwerden einer Gewinnverteilungsabrede

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Als steuererhebliche Tatsache i. S. des § 173 Abs. 1 AO ist nicht nur die Höhe des festgestellten Gewinns, sondern auch die Gewinnverteilung zwischen den Feststellungsbeteiligten zu werten.
  2. Bei nachträglichem Bekanntwerden einer Gewinnverteilungsabrede, welche die bisher festgestellten Besteuerungsgrundlagen bei einem Gesellschafter ermäßigt und bei dem anderen erhöht, ist § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 AO 1977 (korrespondierender steuererhöhender Vorgang) anzuwenden, ohne dass es auf das grobe Verschulden der Kläger ankommt.
  3. Die fehlende Auswirkung auf die Höhe des festgestellten Gewinns steht dem aufgrund der einschränkungslosen Verweisung des § 181 Abs. 1 AO auf § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO nicht entgegen (gegen AEAO zu § 173 AO Nr. 10.2).
 

Normenkette

AO §§ 132, 173 Abs. 1 Nr. 2 S. 2, § 181 Abs. 1; AEAO zu § 173 AO Nr. 10.2

 

Streitjahr(e)

2000

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 24.06.2009; Aktenzeichen IV R 55/06)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob den Klägern nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) 1977 ein Anspruch auf Änderung eines bestandskräftigen Feststellungsbescheides hinsichtlich der Gewinnverteilung zusteht.

Die Kläger waren im Streitjahr 2000 Gesellschafter der A & B Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Für das Streitjahr reichte der Kläger zu 1, A, am 27.11.2001 die Feststellungserklärung für die GbR beim beklagten Finanzamt ein. Dieser war laut schriftlicher Empfangsvollmacht vom 19.11.2001 vom Kläger zu 2, B, für sämtliche steuerlichen Angelegenheiten empfangsbevollmächtigt worden. In der Feststellungserklärung für das Streitjahr wurden laufende Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von insgesamt 17.708 DM erklärt, welche in Höhe von 12.649 DM dem Kläger zu 1 und in Höhe von 5.059 DM dem Kläger zu 2 (abzüglich Sonderbetriebsausgaben in Höhe von 866 DM) zugeteilt wurden. Der Beklagte stellte mit Bescheid vom 21.02.2002 die angegebenen Beträge als laufende Einkünfte der Höhe nach erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest. Gleichzeitig bat er um Erläuterung bestimmter Gewinnermittlungspositionen sowie der vorgenommenen Gewinnverteilung. Den Feststellungsbescheid gab er beiden Klägern bekannt.

Daraufhin beauftragten die Kläger den Prozessvertreter, welcher für diese am 17.09.2002 eine berichtigte Feststellungserklärung für das Streitjahr erstellte. Hierin erklärten sie nunmehr laufende Einkünfte in Höhe von insgesamt 64.026 DM, welche zu gleichen Teilen auf die Kläger aufgeteilt wurden (je 32.013 DM). Dementsprechend änderte der Beklagte den ursprünglichen Feststellungsbescheid mit Bescheid vom 14.10.2002; der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben.

Mit Schreiben vom 22.01.2003 beantragten die Kläger, den Bescheid dahingehend zu ändern, dass dem Gesellschafter A insgesamt 44.013 DM und dem Gesellschafter B 20.013 DM zuzurechnen sind. Zur Begründung führten sie aus, die GbR resultiere aus einer missglückten GmbH-Gründung. Für diese Vorgründungsgesellschaft gebe es keinen Gesellschaftsvertrag, sodass die Grundsätze des Bürgerlichen Gesetzbuches Anwendung fänden. Nach Durchführung der Veranlagung für das Streitjahr habe sich herausgestellt, dass hinsichtlich der Gewinnverteilung eine mündliche Absprache existiere, welche noch nicht beachtet worden sei. Hiernach seien vom erzielten Gewinn vorab dem Kläger zu 1 ein Betrag von 40.000 DM und dem Kläger zu 2 ein Betrag von 16.000 DM zuzuordnen. Der dann verbleibende Gewinn in Höhe von 8.026 DM sei anschließend auf beide Kläger zur Hälfte aufzuteilen, sodass letztlich die oben genannten Beträge anzusetzen seien. Der Änderungsbescheid wurde dem fachkundigen Vertreter der Kläger bekannt gegeben.

Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 29.01.2003 den Antrag auf Änderung ab. Eine Änderung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a AO 1977 zu Gunsten der Kläger komme nicht in Betracht, weil der Antrag nicht vor Ablauf der Rechtsbehelfsfrist gestellt worden sei. Durchgreifende Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 AO 1977 seien weder geltend gemacht noch ersichtlich. Die Änderung eines Feststellungsbescheides nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 setze das Vorliegen einer neuen Tatsache voraus. Die mündliche Absprache der Gewinnverteilung sei zwar eine neue Tatsache, da sie dem zuständigen Bearbeiter im Zeitpunkt der Veranlagung nicht bekannt gewesen sei. Es liege jedoch grobes Verschulden vor, da diese Vereinbarung trotz Aufforderung durch den Beklagten nicht mitgeteilt worden und hierin eine Verletzung der Sorgfaltspflicht zu sehen sei. Weitere Änderungsvorschriften kämen nicht in Betracht.

Hiergegen erhoben die Kläger Einspruch, mit dem sie geltend machten, bei der Änderung von Feststellungsbescheiden komme es grundsätzlich darauf an, ob die neue Tatsache zu einer höheren oder niedrigeren Feststellung der Besteuerungsgrundlagen in einem bestimmten Steuer...

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