vorläufig nicht rechtskräftig

Revision zugelassen durch das FG

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewerblichkeit des Vertriebs wertloser Aktien mit Betrugsabsicht

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Der Vertrieb wertloser Aktien mit Betrugsabsicht an einen unbestimmten Kundenkreis stellt eine gewerbliche Tätigkeit dar.
  2. Die aus den Aktienverkäufen erzielten Einkünfte sind auch dann der über die Leistungserstellung im Innenverhältnis und die Verwendung der Einnahmen allein dispositionsberechtigten Person zuzurechnen, wenn der Aktienerwerb im Außenverhältnis über eine von dieser als Geschäftsführer und Alleingesellschafter beherrschte Kapitalgesellschaft sowie hinsichtlich des Zahlungsverkehrs durch einen kollusiv handelnden Treuhänder abgewickelt wird.
  3. Die BFH-Rechtsprechung zur verschleierten Marktteilnahme (Urteil vom 3.7.1991 X R 163/87, BFHE 164,556, BStBl II 1991, 802) beansprucht auch für die Frage der Einkünftezurechnung Geltung.
  4. Die Gewinnrealisierung aus außerbörslichen Aktienverkäufen tritt erst zum Zeitpunkt der Einbuchung in die Anlegerdepots ein.
  5. Für die aufwandswirksame Bildung einer Rückstellung für drohende Schadenersatzleistungen aufgrund einer Straftat ist auch bei Einzelunternehmen ein Wertaufhellungszeitraum von sechs Monaten angemessen, wenn sich keine schwierigen Bilanzierungsfragen stellen.
 

Normenkette

GewStG § 2 Abs. 1 Sätze 1-2, § 7 Abs. 1 S. 1; EStG § 4 Abs. 1, 3, 5b, § 5 Abs. 1 S. 1, § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 2; HGB §§ 1, 243 Abs. 3, § 252 Abs. 1 Nr. 4 Hs. 2

 

Streitjahr(e)

2009, 2010, 2011

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 16.02.2022; Aktenzeichen X R 3/19)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger in den Streitjahren 2009 bis 2011 eine gewerbliche Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) i.V.m. § 15 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ausgeübt hat und wie die etwaigen Einkünfte eines solchen Gewerbebetriebes zu berechnen wären.

Im Jahr 2007 fragte der US-amerikanische Rechtsanwalt D (künftig D), der den Kläger aus einer vormaligen Tätigkeit bei der New Yorker Broker Inc. in den 1990er Jahren kannte, bei diesem an, ob er ein US-amerikanisches Unternehmen bei seinem Börsengang begleiten wolle. Im Sommer 2008 konkretisierten sich diese Pläne und D berichtete dem Kläger von einer B Inc. sowie deren angeblicher Tätigkeit. Er übersandte dem Kläger Werbematerialien, die wie folgt betitelt waren: „…” und „…”

Am 21.10.2008 schloss der Kläger für die C Inc., eine US-amerikanische Gesellschaft, die der Kläger im Jahr 2002 gegründet hatte, deren Vorstandsvorsitzender er war und die in den Streitjahren über ein Büro in Z Stadt verfügte, mit der B (vertreten durch deren CEO E) einen Beratungsvertrag (sog. „Consulting Agreement”). Danach sollte die C die Börsenzulassung der B im Freiverkehr an der Frankfurter Börse gegen ein Honorar von 50.000 € und die Erlaubnis, Aktien des Unternehmens zu verkaufen, vorbereiten und unterstützen.

Am 1.8.2009 wurde zwischen der B als Darlehensgeberin auf der einen und dem Kläger sowie der F Inc. als Darlehensnehmer auf der anderen Seite ein „Revolving Credit and Security Agreement” mit einer Kreditlinie von 1.000.000 €, in einer undatierten Zusatzvereinbarung später erhöht auf 4.000.000 €, abgeschlossen.

In den Streitjahren vertrieb der Kläger über die C außerbörslich Aktien der B. Hierzu führte er in dem Büro der C in der … in Z Stadt mit potentiellen Kapitalanlegern Beratungsgespräche. Der Kläger präsentierte die B gegenüber potentiellen Anlegern als werthaltiges Pharmaunternehmen, das auf dem Gebiet der Nanotechnologie forsche und Transportsysteme für Medikamente auf der Basis von Nanopartikeln entwickle. Er behauptete gegenüber den potentiellen Anlegern u.a., dass die B 32 Mitarbeiter beschäftige. Teilweise gab er des Weiteren an, dass die B bereits Millionengewinne erwirtschaftet habe. Des Weiteren stellte er die Aktien der B als hervorragende Kapitalanlage dar, an der auch die H-Stiftung oder der Pharmakonzern G Interesse habe. Mit letzterem befinde sich die B in Übernahmeverhandlungen. Gemeinsam mit seiner Assistentin I gestaltete er zu Werbezwecken auf der Grundlage der Broschüre „…” die deutschsprachige Werbebroschüre „…”, in der u.a. damit geworben wurde, dass die B bei der Entwicklung der Nanosysteme eng mit G und J zusammenarbeite und sich im Vorstand des Unternehmens Vertreter der Pharmaunternehmen K, L, M und G befänden. Diese Broschüre händigte er potentiellen Kapitalanlegern aus, um sie zu Investitionen in Aktien der B zu veranlassen. Darüber hinaus schaltete der Kläger auch den Anlagevermittler N in den Vertrieb von Aktien der B ein. Dieser wiederum setzte weitere Vermittler ein, etwa die Herren O1, O2, O3 und O4.

Tatsächlich verfügte die B weder über eine Forschungstätigkeit noch über einen operativen Geschäftsbetrieb, sondern war eine bloße „Briefkastenfirma”, deren Aktien von Anfang an keinen Wert besaßen. Es gab des Weiteren auch keine Partnerschaften mit anderen Pharmaunternehmen.

Spätestens im Frühjahr 2009 arbeitete der Kläger mit sein...

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