Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufrechnung mit Steuererstattungsansprüchen im Restschuldbefreiungsverfahren

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die im Insolvenzverfahren geltenden Aufrechnungsbeschränkungen bestehen in einem anschließenden Restschuldbefreiungsverfahren nicht fort.
  2. Einkommensteuererstattungsansprüche sind keine Surrogate der im Restschuldbefreiungsverfahren treuhänderisch abzutretenden Bezüge aus einem Dienstverhältnis und unterfallen demnach nicht dem hierfür geltenden Aufrechnungsverbot.
  3. Die Aufrechnungserklärung der Finanzbehörde stellt weder eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme noch ein Abkommen zur Verschaffung eines Sondervorteils dar.
  4. Aus dem Postulat der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung kann kein allgemeines Aufrechnungsverbot im Restschuldbefreiungsverfahren hergeleitet werden.
 

Normenkette

AO §§ 46, 226 Abs. 1; BGB §§ 387, 389; InsO §§ 1, 96 Abs. 1, § 114 Abs. 2, § 287 Abs. 2, § 294

 

Streitjahr(e)

2003

 

Tatbestand

Die Beteiligten des Hauptverfahrens streiten über die Rechtmäßigkeit eines Abrechnungsbescheides, in dem das Finanzamt das Erlöschen eines Einkommensteuererstattungsanspruchs des Antragstellers infolge einer vom Finanzamt erklärten Aufrechnung mit Einkommen- und Umsatzsteuerforderungen feststellte.

Mit Beschluss vom 4.3.2002 hat das Amtsgericht M... das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Antragstellers eröffnet.

Die vom Finanzamt angemeldeten Abgabenforderungen in Höhe von insgesamt 10.982,67 EUR, resultierend aus den Festsetzungen zur Einkommensteuer 1995 und zur Umsatzsteuer 1995, wurden vom Insolvenzgericht festgestellt. Mit Beschluss vom 21.3.2003 kündigte das Amtsgericht M dem Antragsteller Restschuldbefreiung an; mit weiterem Beschluss vom 5.5.2003 wurde das Insolvenzverfahren mangels zu verteilender Masse ohne Schlussverteilung aufgehoben.

Mit Einkommensteuerbescheid vom 8.5.2003 setzte das Finanzamt die Einkommen-steuer 2002 fest. Den sich hieraus ergebenden Erstattungsanspruch des Antragstellers in Höhe von 614,76 EUR verrechnete das Finanzamt mit der rückständigen Einkommen-steuer 1995.

Der Antragsteller legte gegen die Aufrechnung „Einspruch” ein und beantragte die Erteilung eines Abrechnungsbescheides.

Mit Abrechnungsbescheid vom 4.9.2003 stellte das Finanzamt fest, dass die erklärte Aufrechnung rechtmäßig gewesen sei, weil das Insolvenzverfahren am 8.5.2003 bereits abgeschlossen gewesen sei und die Aufrechnungsverbote der Insolvenzordnung keine Anwendung mehr fänden.

Den hiergegen eingelegten Einspruch wies das Finanzamt mit Einspruchsentscheidung vom 15.12.2003 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es aus, die §§ 1, 96 der Insolvenzordnung - InsO - würden nur in einem noch laufenden Insolvenzverfahren gelten. § 294 InsO greife nicht ein, da eine Aufrechnung keine Vollstreckungsmaßnahme darstelle. Zudem erfasse die Abtretungserklärung des Antragstellers nur pfändbare Forderungen aus Bezügen aus einem Dienstverhältnis oder andere an deren Stelle tretende laufende Bezüge, nicht aber Steuererstattungsansprüche.

Mit Schriftsatz vom 16.1.2004 hat der Antragsteller Klage gegen den Abrechnungsbescheid für den Fall angekündigt, dass ihm für dieses Verfahren Prozesskostenhilfe bewilligt werde. Zur Begründung trägt er vor, § 96 Abs.1 Nr. 1 InsO sehe während des laufenden Insolvenzverfahren ein Aufrechnungsverbot vor, um die Insolvenzmasse im Interesse einer gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger möglichst vollständig zu erhalten. Dieses Ziel müsse auch nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens gelten. Das Aufrechnungsverbot ergebe sich auch aus der analogen Anwendung des § 294 Abs. 1 Nr. 1 InsO, wonach Zwangsvollstreckungsmaßnahmen einzelner Gläubiger während der Laufzeit der Abtretungserklärung unzulässig seien. Außerdem verbiete § 294 Abs. 2 InsO jegliche Sonderabkommen mit einzelnen Gläubigern. Die Möglichkeit des Finanzamtes, sich während der Abtretungsperiode durch Aufrechnung aus dem Vermögen des Schuldners zu bedienen, sei ein solcher Sondervorteil. Zudem sei es Sinn und Zweck der Restschuldbefreiung, dem betreffenden Schuldner einen wirtschaftlichen Neuanfang zu ermöglichen. Der Schutz vor Zugriffen von Gläubigern sei in dieser Phase nur zu gewährleisten, wenn er gleichermaßen für Vollstreckungsmaßnahmen wie für Aufrechnungen gelte. Hinzu komme, dass keine schützenswerten Rechtspositionen des Finanzamts beeinträchtigt würden, weil seine, des Antragstellers, Interessen überwiegen würden. Er benötige das Geld, um sein Kraftfahrzeug reparieren zu lassen, damit er weiterhin seinem Beruf als Fliesenleger nachgehen könne. Dementsprechend habe der Treuhänder den Betrag aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben.

Der Antragsteller beantragt,

ihm für die Durchführung des Rechtstreites 18 K 321/04 AO in der 1. Instanz Prozesskostenhilfe zu bewilligen und ihm zur vorläufig unentgeltlichen Wahrnehmung des Rechts in dieser Instanz Rechtsanwalt in, beizuordnen.

 

Entscheidungsgründe

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe - PKH - ist unbegründet.

Nach § 142 Abs. 1 Finanzgerichtsord...

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