Entscheidungsstichwort (Thema)

Grenzbetrag beim Kindergeld und Werbungskosten (Fahrtkosten) bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Fahrten einer Auszubildenden im Krankenpflegeberuf zwischen der Wohnung und einer nicht im räumlichen Bereich ihrer regelmäßigen Arbeitsstätte liegenden Krankenpflegeschule, in der die theoretischen Grundlagen des Berufs vermittelt werden, stellen Dienstreisen dar, so dass die Beschränkung in § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG nicht zur Anwendung kommt.

2. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die theoretischen Kenntnisse in einer Berufsschule oder in einer Krankenpflegeschule absolviert werden. Entscheidend ist alleine die Fahrsituation.

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 4 S. 2

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 02.03.2011; Aktenzeichen III B 106/10)

BFH (Beschluss vom 02.03.2011; Aktenzeichen III B 106/10)

 

Tenor

Der Bescheid vom 10. Dezember 2008 in Form der Einspruchsentscheidung vom 12. Januar 2009 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger Kindergeld für den Zeitraum April bis Dezember 2007 zu bewilligen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, sofern nicht der Kläger zuvor Sicherheit leistet.

 

Tatbestand

Der Kläger streitet mit der Beklagten um die Rechtmäßigkeit eines Bescheides, mit dem die Beklagte die Festsetzung des Kindergeldes für die Zeit von April bis Dezember 2007 aufgehoben hat.

Der Kläger ist der Vater der am 27. Juni 1986 geborenen Tochter C. C absolvierte seit Oktober 200 eine Ausbildung als Gesundheits- und Krankenpflegerin. Träger der Ausbildung ist das St. Josef-Krankenhaus in X (KiG, Bl. 4). Der theoretische Unterricht erfolgt in zeitlichen Blöcken von mehreren Wochen an der Krankenpflegeschule in Y (Y-Straße 1a).

Am 14. Mai 2007 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Kindergeld (KiG, Bl. 1). Mit Bescheid vom 17. Juli 2007 (KiG, Bl. 22 f.) setzte die Beklagte Kindergeld für C ab April 2007 fest. Nachdem der Kläger auf die Aufforderung der Beklagten vom 8. Juli 2008 (KiG, Bl. 24), diverse Nachweise vorzulegen, nicht reagiert hatte, hob die Beklagte mit Bescheid vom 10. Dezember 2008 (KiG, Bl. 26) die Festsetzung des Kindergeldes für C ab April 2007 auf und forderte vom Kläger das für den Zeitraum April bis Dezember 2007 gezahlte Kindergeld zurück.

Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein (KiG, Bl. 30), den die Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 12. Januar 2009 als unbegründet zurückwies (KiG, Bl. 32 ff.).

Am 13. Februar 2009 hat der Kläger Klage erhoben (Bl. 1).

Der Kläger beantragt sinngemäß (Bl. 1),

den Bescheid vom 10. Dezember 2008 in Form der Einspruchsentscheidung vom 12. Januar 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm Kindergeld für den Zeitraum April bis Dezember 2007 zu bewilligen

Der Kläger macht geltend, die Einkünfte von C lägen unter dem Grenzbetrag. Die Berechnung der Beklagten sei fehlerhaft, weil u.a. die Fahrten zur Krankenpflegeschule in Y nicht als Dienstreise anerkannt worden seien.

Die Beklagte beantragt (Bl. 33),

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, die Fahrten von C zwischen ihrem Wohnort und der Krankenpflegschule in Y seien keine Dienstreisen. Mithin könne auch kein Verpflegungsmehraufwand berücksichtigt werden.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Streitentscheidung durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die beigezogenen Verwaltungsakten verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und auch begründet. Die Einkünfte der Tochter des Klägers liegen unter dem für die Gewährung von Kindergeld maßgeblichen Grenzbetrag.

1. Rechtsgrundlagen

Nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a EStG wird ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, berücksichtigt, wenn es noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und für einen Beruf ausgebildet wird. Nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG wird ein Kind, das unter § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 2 EStG fällt, indessen nur berücksichtigt, wenn es Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als 7.680 Euro im Kalenderjahr hat.

Der Begriff der Einkünfte in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG entspricht der Legaldefinition in § 2 Abs. 2 EStG (BFH vom 4. November 2003 VIII R 59/03, BStBl II 2004, 584 m.w.N.). Einkünfte i.S. von § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG sind danach bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit der Überschuss der Einnahmen aus dem Dienstverhältnis über die Werbungskosten (§§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Abs. 2 Nr. 2; 8 bis 9a; 19, 19a EStG).

Zu den Werbungskosten rechnen auch Fahrtaufwendungen. Hierbei ist zu unterscheiden zwischen Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sowie für Aufwendungen im Rahmen einer Auswärtstätigkeit. Erst...

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